Drei Generationen auf dem Jakobsweg
dieser Hitze und setzte sich wieder in ihren Wagen. Jetzt konnten wir Tempo machen, um anschließend die Kleine wieder in einer schattigeren Gegend spielen zu lassen. Aber der Weg zog sich und zog sich, und soweit das Auge sehen konnte, war kein noch so kleiner Ort in Sicht. In meiner sich langsam anbahnenden Verzweiflung fing ich an mich wieder an Gott zu wenden. Ich bat ihn, doch das für mich heute noch unfassbare Spektakel von vorgestern zu wiederholen. Es wäre schön, wenn sich auch jetzt wieder der Erdboden auftun würde, um wenigstens schon in Terradillos zu sein. Danach müssen wir ja eh noch fünf Kilometer weiter, da Daniel hier keine Vorreservierung – alles ausgebucht – bekommen hatte. Peter musste lachen, als ich neben ihm gehend so in mich hinein murmelte.
Keine zwei Minuten später kam eine Rechtskurve und was sahen meine Augen? Die Ortstafel von Terradillos de los Templarios und davor stehend ein paar landwirtschaftliche Geräte, die großzügig zum Sitzen und Rasten einluden. Schnell schlüpfte ich aus meinen Schuhen und Socken, um meine Füße ein wenig im sanften Gras ausdampfen zu lassen. Auch Larissa und Franzi waren überglücklich, dass wir es jetzt, zumindest bis hierher, geschafft hatten. Zog sich die Etappe heute doch ordentlich. Auch jetzt war es wieder schön anzusehen, wie Larissa und Franziska spielten und sich tatsächlich des Lebens freuten. Noch ein paar Fotos und weiter ging es in den Ort. Als wir an der Herberge vorbeizogen, lief uns Manfred, der bereits zusammen mit seiner Frau Erika im Garten der Herberge saß und uns erspähte, nach, um uns zu begrüßen. Wir aber wollten, bevor wir nun eine anständige Rast einlegten, noch schnell die Wehrkirche des Templerordens sehen. Peter, der sich immer und überall sehr für Geschichte interessiert, war beeindruckt.
Die Herberge vor der Wehrkirche trug den Namen des letzten Großmeisters der Templer, »Jacques de Molay «. Peter erzählte, dass dieser letzte Großmeister vom französischen König, Philipp IV, im Jahr 1314 hingerichtet worden war. Dieser hatte ein Jahr vorher, am Freitag, den 13. Oktober 1307, alle Tempelritter in einer groß angelegten Aktion in Frankreich festnehmen und foltern lassen, weil er wegen der Pleite der Staatskasse den Reichtum der Templer haben wollte. Seit diesem Datum gibt es den »Freitag, den 13 .« im abergläubischen Volksmund. Hatte ich auch nicht gewusst. Ich hatte im Geschichtsunterricht offensichtlich nicht sehr gut aufgepasst und diese Jugendsünde rächte sich jetzt. Aber nachdem es ja bekanntlich für gewisse Einsichten nie zu spät ist, habe ich ja jetzt Peter an meiner Seite. An den Längsmauern waren noch die Aussparungen von Schießscharten erkennbar. Die Kirche war verschlossen, aber eine kleine Tür zum Kirchturm war offen. Als Larissa, wissensdurstig wie sie ist, diese öffnete, sah sie darin nur Vogelkot und tote Vögel, sodass sie die Tür gleich wieder mit Schwung zumachte.
Anschließend gingen wir zurück zur Herberge. Franzi entdeckte auf der Rückseite einen Sandhaufen und wollte sogleich ihr Eimerchen haben. Larissa setzte sich zusammen mit ihr in den Sand und beide begannen zu graben und zu schaufeln. Peter und ich gingen in der Zwischenzeit in den Garten der Herberge, holten drei Bier sowie Wasser für die Kleine und ließen uns im Schatten nieder. Nun kamen auch Larissa und Franzi zu uns. An diesem Tag konnten wir uns zum ersten Mal erlauben eine genüssliche Pause einzulegen, da wir wussten, dass ja fix zwei Zimmer für uns reserviert waren. Allerdings bekamen wir jetzt wieder zu spüren, wie bekannt unsere »verrückte Familie« in der Zwischenzeit auf dem Camino war. Jeder sprach täglich über uns. Die einen sagten: »Stellt euch vor, die haben uns sogar samt ihrer Kutsche überholt .« Die anderen sagen: »Die haben wir heute abgehängt, die werden jetzt bald hier vorbeikommen .« Sogar Wetten wurden bereits abgeschlossen, wie weit wir es denn noch schaffen würden. Wie und wann, bei welcher Etappe wir spätestens das Handtuch werfen würden. Besonders die Pilger, die in Burgos erst auf den Camino gestoßen waren und in León bereits wieder aussteigen wollten, konnten es nicht glauben, dass wir drei Generationen, samt Kind und großem Gepäck, bereits in Roncesvalles gestartet waren und tatsächlich bis Santiago de Compostela laufen wollten. »Das schaffen Sie nie !« »Und ob wir das packen«, sagte ich kurz und bündig. Als wir dann auch noch aufstanden, uns
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