Drei Generationen auf dem Jakobsweg
wir auch schon von einer netten Spanierin erwartet wurden. Sie gab uns unsere Schlüssel und führte uns in den ersten Stock zu unseren Zimmern. Anschließend zeigte sie uns die Waschmaschine, die wir gerne kostenfrei benutzen dürften, und informierte uns über das heutige Abendessen sowie das morgige Frühstück. Gleich wollte sie auch ihre Enkelin holen, damit Franzi eine Spielgefährtin hatte. Es dauerte keine halbe Stunde, wir waren gerade mit Duschen fertig, da kam sie auch schon, klopfte kurz bei Larissa an die Türe, trat mit ihrer Enkelin Carmen an der Hand ein, nahm Franzi an die andere Hand und gab uns unmissverständlich zu verstehen, dass sich »Big Mama« (Großmütter haben in Spanien einen sehr hohen Stellenwert in der Familie) jetzt um die zwei Kleinen kümmere. Sie konnten spielen und essen, was sie wollten. Weder Larissa noch mir war jetzt wohl bei dem Gedanken, einer eigentlich wildfremden Frau unser Kind zu überlassen. Schnell gingen wir nach unten, um einen Kaffee zu trinken und das Kind im Blickfeld zu haben. Das war auch gut so, denn da war er wieder, der Eis spendierende, Rotwein trinkende Pilger. Kurzerhand wollte er sofort wieder Franzi an sich reißen. Big Mama wehrte ihn zwar ab, aber trotzdem war es gut, dass wir gleich hinterher kamen. Peter wollte sich noch in Ruhe duschen und ein kleines Nickerchen machen, also saßen wir diesem in meinen Augen üblen Menschen alleine gegenüber.
Franzi und Carmen hatten sich schnell angefreundet und rollten Gummibärchen essend mit Dreirädern durch das Lokal, wobei der üble Pilger sie wieder und wieder fotografierte. Ich war wütend und sagte zu meiner Tochter: »Gleich reiße ich ihm die Kamera weg .« Als ich so mit meiner Tochter im Gespräch war, kam Peter dazu. Nun hatte ich das Gefühl, dass der Typ ab sofort unsere Franzi nicht mehr so sehr fixierte. Die Kinder ließen wir allerdings wieder keine Sekunde mehr aus den Augen. Zum Abendessen gab es drei verschiedene Pilgermenüs. Heute entschieden wir uns alle für Gemüsesuppe als Vorspeise, Pasta als Hauptgang und Eis zur Nachspeise. Carmens Großmutter brachte die beiden Mädchen wie selbstverständlich an unseren Tisch, stellte ihnen einen großen Teller Pasta mit zwei Gabeln auf den Tisch und siehe da: In nicht allzu langer Zeit war der Teller leer. Die Mädchen verstanden sich ganz selbstverständlich in zwei verschiedenen Sprachen. Auch sie bekamen noch ein Eis zur Nachspeise. Danach stellte sich auch die Mutter von Carmen bei uns vor und fragte, ob Franzi noch ein bisschen im Nebenzimmer mit Carmen spielen dürfe. Damit wir uns keine Sorgen machen mussten, öffnete sie die Türe, durch die wir die beiden dann beobachten konnten. Nachdem nun Peter unserem »Pilgerfreund« zu verstehen gegeben hatte, dass uns sein aufdringliches Verhalten auf die Nerven ging, führte dieser kurzerhand einen Lokalwechsel durch. Jedenfalls haben wir ihn an diesem Abend nicht mehr gesehen. So war es dann doch noch ein wunderschöner Abend für Franzi und uns. Allerdings verriet der Blick vor die Türe auch, dass es wohl morgen regnerisch sein würde. Angenehm müde suchten wir unsere Zimmer auf und wünschten uns eine gute Nacht.
7. Juni El Burgo Ranero – Mansilla de las Mulas (19 km)
Da wir heute nur 19 km gehen wollten, verabredeten wir am Vorabend nicht vor sieben Uhr aufzustehen. Allerdings wurden wir bereits um sechs Uhr wach, weil der Regen an unser Fenster klopfte. Na du liebe Zeit, das war ja weit schlimmer als erwartet. Gleich wollte ich unsere Schutzheiligen um milderes Wetter anrufen, aber irgendetwas hielt mich davon ab. Was sollte das bedeuten, fragte ich mich selbst. Prompt kam auch schon die Antwort. Hast du vielleicht wegen des schlechten Wetters auf einen zusätzlichen Ruhetag gehofft? Ich glaube ja! Allerdings wusste ich auch, dass Larissa darüber sehr unglücklich sein würde. Also legte ich mich nochmals aufs Ohr und horchte mal wieder in meinen Bauch. Nun wurde es aber doch Zeit, aufzustehen, um wie verabredetet um halb acht zum Frühstück zu erscheinen. Ich traute meinen Augen nicht, das ganze Lokal war voller Pilger, die offensichtlich ihrerseits ebenso den Verlauf des Wetters abwarten wollten. Im Fernseher, der in der Ecke an der Wand hing, lief der Wetterbericht, der zwischen 17 und 19 Grad sowie Regen für den ganzen Tag prognostizierte. Ein Blick durch die Glastür nach draußen verriet, dass doch ein paar hartgesottene Pilger ihren Weg mit Regenponchos antraten. Allerdings
Weitere Kostenlose Bücher