Drei Hände Im Brunnen
Piazza, die von hohen, auf einer Seite offenen Kolonnaden umgeben war. Der Blick ins Tal war atemberaubend. Im Zentrum des Temenos erreichte man den Tempel des Halbgottes über eine breite Freitreppe; direkt darunter lag ein kleines Theater. In den Kolonnaden waren Marktstände aufgebaut, und es summte vor Geschäftigkeit. Es gab auch ein Orakel.
»Warum befragen wir nicht das Orakel?«, knurrte Petro. »Wozu der Aufwand, sich als Handwerker zu verkleiden und bis zu den Achseln nass zu werden, wenn wir bloß die Gebühr zu bezahlen brauchen und die Antwort erhalten können?«
»Orakel vermögen nur mit einfachen Fragen umzugehen. ›Was ist der Sinn des Lebens?‹ und ›Wie kann ich meine Schwiegermutter übers Ohr hauen?‹ Du kannst sie nicht mit technischen Komplexitäten strapazieren wie ›Bitte nenne uns das Schwein, das zum Vergnügen Frauen entführt und ermordet‹. Das erfordert die anspruchsvolle Fähigkeit, Schlussfolgerungen ziehen zu können.«
»Und Idioten wie dich und mich, die nicht wissen, wann sie besser Nein zu einem miesen Job sagen.«
»Genau. Orakel sind launenhaft. Sie führen dich an der Nase herum und in die Irre. Du und ich verbeißen uns in eine Sache wie Schafszecken und erbringen unwiderlegbare Beweise.«
»Na gut«, witzelte Petro, »dann wollen wir uns mal in diese Dame verbeißen.«
Wie bei den meisten Häusern von Frauen, die für zweifelhafte Männer unzugänglich sein sollten, war es ein Leichtes, in das gepflegte Anwesen von Aurelia Maesia einzudringen. Es mag irgendwo einen Pförtner und einen Verwalter gegeben haben, aber wir wurden von einer Köchin eingelassen, die uns direkt zur Dame des Hauses führte.
Sie musste an die sechzig sein. Sie war würdevoll gekleidet, trug goldene Ohrringe mit Bernstein und baumelnden Perlen. Ihr Gesicht war fleischig, wurde aber allmählich schlaff; die Haut war von feinen Fältchen durchzogen. Ich schätzte sie als freundlich, jedoch ein bisschen dämlich ein und wusste sofort, dass sie nicht unser Mörder war, was jedoch ihren Kutscher und jeden, den sie auf ihren regelmäßigen Kutschfahrten nach Rom mitnahm, nicht ausschloss.
Sie war gerade dabei, einen Brief zu schreiben, unter Schwierigkeiten, da sie keinen Schreiber benutzte und eindeutig kurzsichtig war. Als wir hereinschlurften, sah sie mit ziemlich nervösem Blick auf. Wir erzählten ihr unsere übliche Geschichte, die sie uns offenbar abnahm, denn wir wurden zu einem ausgetrockneten Brunnen in einem von Flechten überzogenen Hof geführt. Der Brunnen war alt, aber hübsch gebaut. Spatzen hüpften hoffnungsvoll durch die beiden Becken und betrachteten uns mit tschilpender Neugier. Man hatte uns einen Jungen als Aufpasser mitgegeben.
»Ich heiße Gaius.« Vorsichtig setzte ich meinen Sack ab, damit er nicht merkte, dass der größte Teil der angeblichen Werkzeuge nur irgendwelcher Abfall vom Bauernhof war. Ich nahm einen stumpfen Stock heraus und begann die Flechten abzukratzen. Petro hielt sich im Hintergrund und starrte verträumt zum Himmel hinauf.
»Und er?«, fragte der Junge, immer noch misstrauisch.
»Er heißt auch Gaius.«
»Oh! Wie soll ich euch zwei denn auseinander halten?«
»Ich bin der Gewitztere.«
Wenn Petro mit der Vorstellung dran war, gab er unsere Namen immer mit »Titus« an und fügte hinzu: »Wie der Sohn des Kaisers.« Es bereitete ihm ein kindliches Vergnügen, sich mit Kaiserlichem zu schmücken, wenn wir die Rüpel spielten.
»Und du bist?«
»Titus«, antwortete der Junge.
Petronius grinste ihn träge an. »Wie der Sohn des Kaisers!«
Das hatte der junge Titus offenbar schon öfter gehört.
»Scheint eine nette Dame zu sein, diese Aurelia Sowieso«, sagte ich, nachdem ich eine Weile an dem verwitterten Steinbecken herumgekratzt hatte. »Sie lebt hier, oder? Ich frag bloß, weil viele unserer Kunden hier aus der Gegend nur in den Ferien herkommen.«
»Lebt schon seit Jahren hier«, erwiderte Titus.
»Aber sie wird doch manchmal nach Rom fahren?«
»Ziemlich oft sogar.«
Petronius bohrte in der Nase. Titus war drauf und dran, ihn nachzuahmen, ließ es dann aber bleiben. Ich sah auf und wandte mich an Petronius: »Schau dich mal um, Gaius, ob du einen kleinen Stein für mich finden kannst oder ein Stück von einem Dachziegel …«
»Warum muss ich das immer machen?«
»Weil du der Zureicher bist, darum.«
Petro, dem es gelang, so
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