Drei Hände Im Brunnen
»Was bedrückt dich denn so, Gaius?«
»Mir wurde hier Arbeit versprochen«, polterte mein Neffe verärgert los. »Ich wollte mir Geld damit verdienen, auf das Baby aufzupassen. Demnächst muss ich zurück in die Schule.«
»Keine Bange«, sagte ich verdrossen. »Die Schulferien dauern noch zwei Wochen.« Gaius hatte überhaupt kein Zeitgefühl.
»Ich geh sowieso nicht mehr hin, wenn ich vierzehn bin.«
»Gut. Sag deiner Großmutter, dass sie ihr Geld nicht mehr für die Schulgebühr verschwenden soll.«
»An meinem Geburtstag hau ich ab.«
»Wie du meinst, Gaius.«
»Warum widersprichst du mir nicht?«
»Weil ich müde bin. Jetzt hör zu, die Augustalia fangen demnächst an, und ich habe ein paar aufreibende nächtliche Überwachungen vor mir. Helena wird froh sein, wenn du ihr mit dem Baby hilfst. Ich glaube, dass sie deine Gesellschaft auch während des Tages willkommen heißen wird, aber du musst leise sein, wenn ich zu Hause bin und schlafe.«
»Und wie willst du dem Baby erklären, dass es nicht schreien darf?« Als zukünftiges Kindermädchen besaß Gaius einen netten sarkastischen Zug. »Worum geht es bei der Überwachung?«
»Den Wahnsinnigen zu fangen, der abgehackte Frauengliedmaßen in die Wasserleitung schmeißt.«
»Wie willst du das machen?«
Wie alle meine Verwandten betrachtete Gaius meine Arbeit mit Ungläubigkeit, erstaunt, dass irgendjemand verrückt genug war, mich zu beauftragen, oder dass die Aufgaben, die ich übernahm, tatsächlich echte Resultate erzielen konnten.
»Ich werde vor dem Circus Maximus stehen, bis er kommt und sich eine schnappt.« So ausgedrückt, schien der Spott meiner Familie berechtigt. Wie konnte ich je erwarten, dass das funktionieren würde?
»Und dann?«
»Dann schnapp ich ihn mir.«
»Das würde ich gern sehen! Kann ich dir helfen?«
»Nein, das ist viel zu gefährlich«, erklärte Helena bestimmt.
»Ach, Onkel Marcus!«
»Wenn du dir Taschengeld verdienen willst, dann tu das, was Helena dir aufträgt. Sie hat hier das Sagen, und sie führt die Bücher.«
»Sie ist eine Frau.«
»Sie kann zählen.« Ich grinste sie an.
»In mehr als einer Weise«, bemerkte sie. »Kommt und esst, ihr zwei Gauner.«
Widerwillig setzte sich Gaius an den Tisch und griff zu. Besänftigt durch das ungewöhnliche Erlebnis einer Familienmahlzeit – etwas, das Galla und Lollius ihren Kinder nie boten –, fiel ihm schließlich wieder ein, dass er Helena etwas auszurichten hatte. »Dein Bruder war gestern da und wollte dich besuchen.«
»Quintus? Der große, freundliche? Camillus Justinus?«
»Wahrscheinlich. Er sagte, ich soll dir ausrichten, dass er wegen seiner Gesundheit fortgeschickt worden ist.«
Helena sah alarmiert aus. »Was soll das bedeuten? Ist er krank?«
Gaius zuckte die dünnen Schultern unter seiner schmutzigen Tunika. »Ich glaube, das war eine Art Witz. Ich hab auf eurer Veranda gepennt und darauf gewartet, dass ihr nach Hause kommt.«
Bei dem Gedanken, dass der ungeliebte Schlingel jämmerlich auf unserer Veranda herumhing, schauderte es Helena. »Hast du mit meinem Bruder gesprochen?«
»Er hat sich zu mir auf die Stufen gesetzt, und wir haben einen netten Schwatz gehalten. Er ist ganz in Ordnung. Aber er war sehr niedergeschlagen.«
Müde nach der Reise, rieb sich Helena die Augen und betrachtete meinen Neffen dann mit dem aufgestützten Kinn in den Händen. »Warum war er so niedergeschlagen, Gaius?«
»Er hat’s mir im Vertrauen gesagt …« Als er Helenas Blick auffing, rutschte mein Neffe unbehaglich hin und her. Aber schließlich gab er verlegen zu: »Na ja, wegen der Liebe und all dem Kram.«
Ich lachte. »Tja, daraus kannst du was lernen. Das passiert, wenn junge Männer so dumm sind, sich mit Schauspielerinnen einzulassen.«
Helena Justina gab meinem Neffen einen Nachschlag und sah nachdenklich aus. Dann, da sie wusste, wie man eine Kabbelei verhindert, füllte sie auch meine Schale wieder auf.
Die Spiele zu Ehren des verstorbenen Kaisers Augustus beginnen am dritten Tag des Monats Oktober. Zwei Tage später ist das mythologische Datum für die Öffnung des Hades; ich hoffte, dass wir bis dahin unseren Verbrecher geschnappt hatten und bereit waren, ihn auf diesen Weg zu schicken. Direkt vor den Spielen war ein schwarzer Tag im Kalender, der traditionelle Unglückstag, der den Kalenden folgt,
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