Drei Hände Im Brunnen
in der Dunkelheit weit vorankommen. Wenn ich anhalten musste, dann er auch. Und er hatte ein Opfer zur Gesellschaft. Lebendig oder tot. Vielleicht jetzt noch am Leben – aber nicht viel länger, wenn er sein Ziel erst mal erreicht hatte.
Würde er ihr zu essen geben? Würde sie in der Lage sein, ihre sonstigen Bedürfnisse zu befriedigen? Wie denn, ohne dass er es bemerkte? Er musste sie gefesselt und zum Schweigen gebracht haben und sie versteckt transportieren. Sie war jetzt eine Nacht und fast einen ganzen Tag in seiner Gewalt. Selbst wenn es mir gelang, sie zu retten, würde sie nie mehr dieselbe sein.
Als ich mich Aurelia Maesias Villa näherte, konnte ich nur hoffen, dass sie da war. Aber inzwischen hatte ich mich schon damit abgefunden, dass ich vermutlich zum falschen Ort gekommen war.
LXI
Man konnte deutlich erkennen, dass Aurelia Maesia noch tagelang nicht zurückerwartet wurde. Die Sklaven waren alle auf der Terrasse und sonnten sich. Gartengeräte standen ordentlich an eine Statue gelehnt. Gearbeitet wurde nicht. Sie hatten sich die besten Liegestühle ausgeborgt und lagen so lethargisch darin, dass sie sich noch nicht mal überwinden konnten, auf die Füße zu kommen, als ich mich näherte. Außerdem hätten sie ihre Trinkbecher umgestoßen, wenn sie sich zu schnell bewegt hätten.
»Wo ist Damon?«
»Genießt das Leben in Rom.«
»Der Mistkerl!«, knurrte die Köchin (seine offizielle Freundin).
»Wenn er nach Rom fährt, kommt er dann zwischendurch allein mit der Kutsche zurück?«
»Warum sollte er?«, gackerte die Köchin und fügte gewohnheitsmäßig hinzu: »Der Mistkerl!«
Von mir aus konnten sie über Damon herziehen, wie sie wollten, aber ich brauchte schnelle Antworten. Ich entdeckte den jungen Titus, gab ihm einen Wink, dass ich ihn gern allein sprechen wollte, und ging mit ihm ein Stück von den anderen weg.
»Sind Sie nicht Gaius, der Brunnenreiniger?«
Ich zwinkerte ihm zu. »Ich habe verdeckt ermittelt, wie du vielleicht schon erraten hast.« Er schwieg. Wenn er sich durch die Täuschung betrogen fühlte, würde er mir seine Mitarbeit verweigern. Ich ließ ihm keine Zeit, sich zu ärgern. »Jetzt ist deine Gelegenheit gekommen, mir in einer verzweifelten Lage zu helfen. Hör zu, Titus, schlimme Dinge sind passiert, und ich versuche einen Verbrecher zu schnappen.«
Seine Augen weiteten sich. »Sprechen Sie von Damon?«
»Ich dachte erst, er könnte es sein. Aber inzwischen ist mir ein anderer Verdacht gekommen. Aurelia Maesia besucht ihre Schwester. Deren Name ist Aurelia Grata, stimmt’s?« Titus nickte. Aurelia Grata … Irgendwo im Schlamm von Falcos Bewusstsein regte sich eine Erinnerung. »Und ihr alter Vater kommt auch in das Haus der Schwester?«
»Ja.«
Jetzt klingelte eine Glocke ganz laut in meinem müden Hirn. Das Klingeln hallte aus verschiedenen Richtungen wider. »Der Name des Vaters ist nicht zufällig Rosius Gratus?«
»Doch.«
»Wohnt an der Straße nach Sublaqueum?«
»Genau.«
Ich atmete flach. Jetzt nur nicht über das Ziel hinausschießen. »Und er reist auch nach Rom, wenn seine Tochter aus Tibur zu den Spielen hinfährt? Nimmt deine Herrin ihn mit?«
»Nein. Sie kann es nicht leiden, mit ihm in der Kutsche eingesperrt zu sein. Sie kommen einigermaßen miteinander aus, aber es ist besser, wenn sie sich nicht allzu häufig sehen. Darum lebt er ja auch weiterhin in seiner eigenen Villa. Außerdem genießt er die Fahrten nach Rom. Wär wohl am liebsten selbst Wagenlenker bei den Rennen.«
»Was hat er für ein Fahrzeug?«
»Ein Cisium.«
»Was, ein alter Mann auf einem zweirädrigen Wagen ohne Verdeck, und das bei jedem Wetter?« Ich hörte Marina sagen: »Ach, der hält sich ganz wacker.«
»Geht er mit den Frauen in den Circus?«
»Nein, er schläft den ganzen Tag und wacht nur zum Essen auf.«
»Aber ansonsten ist Rosius Gratus immer noch ein Mann von Welt, oder?«
Titus errötete. »Sieht ganz so aus.«
Ich hob die Augenbrauen und grinste. »Er besucht eine Frau?«
»Hat er schon immer getan. Angeblich ist es sein großes Geheimnis, aber wir lachen alle darüber. Woher wissen Sie das?«
»Jemand, der in derselben Straße wohnt, hat es erwähnt. Tja, das ist wohl ein weiterer Grund, warum er nicht mit seiner Tochter fährt. Aber der alte Rosius kutschiert das Cisium doch nicht selbst?«
»Jemand fährt
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