Drei Hände Im Brunnen
war so abgehärtet – oder so betrunken –, dass er es gar nicht spürte.
Der Zenturio der Stadtkohorten, der den Befehl hatte, in Alarmbereitschaft zu bleiben, um uns zu helfen, stellte sich als netter, sanfter Mann heraus, der sich früh zu Bett gelegt hatte. Hübscher Gedanke, dass die hartgesottenen und berüchtigten Wächter der Stadt noch in Ruhe ein wenig in ihren ordentlichen Feldbetten lasen und dann die Lampe ausbliesen, während die Stadt tobte. Nach einer qualvollen Wartezeit tauchte er in einem langen griechischen Nachthemd auf, nur um mir zu sagen, dass er ohne einen richterlichen Haftbefehl wieder ins Bett gehen würde. Ich riet ihm, sich zu vergewissern, wie viel Pensionsgeld er in der Regimentssparkasse angesammelt hatte, denn für ein Exil im hintersten Armenien mochte es vielleicht nicht reichen. Er schniefte und ließ mich stehen.
In meiner Verzweiflung schüttete ich der Dienst habenden Prätorianerwache mein Herz aus. Diese großen Jungs in ihren schimmernden Brustharnischen hatten was übrig für eine herzzerreißende Geschichte. Immer bereit, den Städtischen eins überzubraten, die sie für minderwertige Kasernengenossen hielten, führten sie mich zu den bereitgestellten Pferden und schlugen mir hämisch vor, mit einem davon abzuhauen, während sie nicht hinsahen. Ich dankte ihnen, wies sie darauf hin, dass die Pferde in Wirklichkeit Maultiere waren, und suchte mir dann das beste aus.
Das erste Morgenlicht tauchte hinter den Sieben Hügeln auf, als es mir nach einer halben Stunde gelang, mein dickköpfiges Reittier in Schwung zu bringen. Dann galoppierte ich auf der Via Tiburtina aus Rom hinaus und jagte einem Mörder nach, der vielleicht einen ganz anderen Weg eingeschlagen hatte.
LX
Von Rom bis nach Tibur waren es zwanzig Meilen, vielleicht sogar mehr. Als ich in den kalten grauen Morgen hinausritt, blieb mir genug Zeit zum Nachdenken. Die meisten meiner Gedanken waren düster. Am leichtesten war noch der Gedanke zu ertragen, dass ich die Ereignisse völlig falsch eingeschätzt hatte und einen zwecklosen Ritt unternahm. Claudia würde wieder auftauchen, war vielleicht schon unversehrt nach Hause zurückgekehrt. Wenn sie tatsächlich entführt worden war, hatte Petronius Longus oder jemand anderes es möglicherweise mitbekommen und den Mann verhaftet. Während ich in den Straßen nach Petro gesucht hatte, konnte er sich in ein Wachlokal zurückgezogen und den Mörder mit grausigen Folterinstrumenten traktiert haben. Oder das Mädchen war unverletzt bei der Durchsuchung der Fahrzeuge gefunden worden, die ich angeordnet hatte. Ihr Entführer war vielleicht an den Stadttoren verhaftet worden. Meine letzte Hoffnung bestand darin, dass es mir, sollte sie wirklich auf dem Weg nach Tibur sein, hilflos und voller Angst – und vorausgesetzt, sie war noch am Leben –, gelingen würde, ihren Entführer zu überwältigen.
Ich würde sie finden. Nichts konnte mich aufhalten. Aber sie war vermutlich schon tot. Angesichts dessen, was sie vorher womöglich hatte erdulden müssen, betete ich fast darum, dass sie inzwischen gestorben war.
Während der ersten Stunden begegnete mir niemand. Ich ritt durch die leere Campania, der einzige Reisende auf der Straße. Selbst für die Bauern war es noch viel zu früh zum Aufwachen. Nachdem das Maultier jetzt seinen Rhythmus gefunden hatte, besänftigte die Musik seiner galoppierenden Hufe meine Panik. Ich versuchte, nicht direkt an Claudia zu denken. Stattdessen wanderten meine Gedanken zu Sosia.
Auch ihren Tod hätte ich verhindern können und sollen. Sie war in Helenas Familie aufgewachsen, ein weiteres junges Mädchen, das die Camilli liebten und für dessen Tod sie immer mir die Schuld geben würden. Wir sprachen nie darüber, aber keiner von uns würde es je vergessen. Sosia und Helena hatten sich sehr nahe gestanden. Zuerst hatte mir Helena bittere Vorwürfe wegen des Todes ihrer jungen Cousine gemacht, hatte mir dann aber später verziehen. Wie konnte ich erwarten, dass sie ein zweites Mal über mein Versagen hinwegsehen würde? Aelianus musste ihr inzwischen erzählt haben, dass Claudia vermisst wurde. Jeder Moment, der auf meinem einsamen Ritt verging, war ein Moment, in dem sich Helena über das grausige Schicksal ihrer jungen Freundin Sorgen machte, den Glauben an mich verlor und sich gleichzeitig um mich ängstigte. Ich hatte selbst den Glauben an mich verloren, als ich durch die Porta Tiburtina ritt.
Es wurde
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