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Drei Irre Unterm Flachdach

Drei Irre Unterm Flachdach

Titel: Drei Irre Unterm Flachdach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastienne Voss
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fahrigen Bewegu n gen Schrauben ...
    Auf diese Erzählung folgen die nächste und die übernächste, eine schreckl i cher als die andere. Bevor ich das las, hatte ich geglaubt, KZ-Geschichten zu kennen. Plötzlich war ich mir da nicht mehr sicher. Hatte ich das wir k lich schon so oft gehört? Jetzt, als ich las, was Großvater da aufgeschri e ben hatte, kam es mir vor, als würde ich zum ersten Mal davon erfahren. Es war authentisch! Zum Teufel mit Schindlers Liste und dem ganzen amerik a nischen KZ-Kitsch! Da waren sie alle hingerannt. Das hatten sie alle gesehen. Da waren sie alle betroffen. Selbst die Schulkinder!
    Großvaters Erinnerungen enden mit einem tra u rigen Resümee:
    Als ich wieder frei war und aus dem KZ, habe ich nicht damit gerechnet, daß überall Triumphbögen errichtet werden zu Ehren der Geschundenen, Gefo l terten, Getöteten und Überlebenden. Aber ich habe als Widerstandskämpfer auch nicht mit Haß gerechnet. Nirgends wurde ich mit Blumen empfangen. Aber Bosheit und Niede r tracht habe ich viel zu spüren bekommen.
    Mehr Rosen im Leben. Auf dem Grab nützen sie mir nichts mehr.

 
    Armer Irrer
     
    Er war ein Held. Alle sagten das von ihm. »Dein Großvater hat Schlimmes durchgemacht.« Ich fragte mich, was er wohl Schlimmes durchgemacht haben könnte. Daß es mit dem KZ zu tun hatte, wo wir regelmäßig hinfuhren, war klar. Doch was genau ein KZ war und warum er dort fünf Jahre seines L e bens zugebracht hatte, das verstand ich lange Zeit nicht. Wie gesagt, er sprach nie davon. Es war partout nichts aus ihm rauszukriegen. Anstatt mir zu an t worten, spielte er die Leiche. Als drücke er auf einen Knopf in seinem Kopf, erstarrten mit einem Schlag sämtliche G e sichtszüge. Er sah aus wie in Stein gemeißelt. Toter als tot. Also hörte ich auf mit der Fragerei. Ich wollte keinen toten Opa.
    Für einen Helden benahm er sich unmöglich. Wo immer er auftauchte, gab es Krach. Da kam ein verbockter alter Stiesel d a her, Streithammel erster Güte, der mit seiner Besserwisserei nervte. Kom i scher Held! Außerdem setzte er dauernd Gerüchte in die Welt. »Der Donner betrügt seine Frau!« »Nein, Gustav, er geht angeln.« »Ruhe! Ich sage, er betrügt seine Frau! Keine Widerworte!« Seine Sti m me überschlug sich.
    Im Ort war allgemein bekannt, daß Herr Donner, ein Nachbar von uns, jeden Morgen um fünf Uhr mit dem Fahrrad an die Karpfenteiche radelte, um zu a n geln. Wenn er einen guten Fang g e macht hatte, klingelte er am Gartentor und verkaufte uns einen frischen Fisch.
    Großvater spielte ein Spiel. Nie wußte man, ob er meinte, was er sagte, oder ob er sich in Szene setzte. Nach dem KZ, in den fünfziger Jahren, bekam er manchmal kleine Rollen am Schweriner Staatstheater, später spielte er von früh bis abends eine einzige große Rolle. Er gab den Verrüc k ten. Einmal sah ich, wie er Steine aus unserer Wiese sammelte und sie über den Gartenzaun warf, auf den Rasen des Nachbarn. Der kam angetrabt. »Was machst du denn da? W a rum wirfst du die Steine in unsern Garten?« »Was? Wo? Wie?« fragte Großvater scheinheilig und lachte debil. »Was werfe ich? Wo? Steine?« Der Nachbar hob einen auf. »Hier, den hast du eben über den Zaun geworfen!« »Ich hab doch keinen Stein rübe r geworfen! Wie komm ich denn dazu! Sieh doch mal hin. Es ist der Maulwurf und nicht der Gustav, hihi! Ihr habt doch übe r all Haufen. Das waren die Viecher, die machen das so. Die buddeln und buddeln und werfen von ganz weit unten, zack, die Steine hoch, dieses Teufelsgefurze!« Aus! Aus und vorbei. Darauf kon n te man nicht antworten. Großv a ter hatte es wieder mal geschafft. Der Nachbar stand wie ein Idiot mit dem Stein in der Hand am Zaun. Gustav zog b e schwingt ab und sang leise vor sich hin: »Spaniens Himmel breitet seine Sterne über unsre Schützengräben aus. Und der Mo r gen ruft schon aus der Ferne, bald geht es zu neuem Kampf hinaus!« Ich hockte hinter dem Stachelbeerstrauch und k i cherte erschrocken in mich hinein.
    Später, im Schulchor, sang ich »Spaniens Himmel« so i n brünstig, als wäre ich selbst im Bürgerkrieg gewesen. Ich bekam hektische Flecken im G e sicht, hatte einen Kloß im Hals und konnte nur mit Mühe die Tränen zurückhalten, was mich und meine Mitschüler in ratl o ses Staunen versetzte. Ich kapierte ebensowenig wie sie, warum ich so überre a gierte.
    Großvater machte mir angst, und ich bewunderte ihn. Das ging fast täglich hin und her. Eine Art Normalempfinden gab es

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