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Drei Irre Unterm Flachdach

Drei Irre Unterm Flachdach

Titel: Drei Irre Unterm Flachdach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastienne Voss
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alten SED-Genossen Bier und Schnaps. Sie kam spät nach Hause, hatte einen sitzen und fuhr auf dem Rückweg Schla n genlinien. »Die haben mich anjepöbelt und vom Fahrrad jeschubst!« tobte sie eines Abends. »Du bist runtergefallen, war vielleicht ein Bierchen zuviel?« meinte Püppchen amüsiert. Großmutter verfär b te sich. »Jetzt hab ick aber die Faxen dicke! Die haben ›rote Sau‹ zu mir jesagt!« Zu DDR-Zeiten war sie die tolle DFD-Wilma gewesen, und jetzt so was! Püppchen war entrüstet und versprach, Wilma künftig von den feuchtfrö h lichen Pa r teiversammlungen mit dem Auto abzuholen.
    Seit dem Vorfall mit dem Fahrrad war Großmutter ernster geworden. Sie lachte seltener und leiser, was ich bedauerte. Denn seit ich älter gewo r den war, genierte ich mich nicht mehr für sie. Im Gegenteil. Ich selber lachte kaum noch, und sie hatte mich mit ihrer Leichtigkeit und ihrem Verrücktsein getröstet. Es gefiel mir, daß sie wie ich ein Ding zu laufen hatte. Seit Großv a ters Tod waren wir nur noch zu zweit und mußten Zusammenhalten. Wenn man ein bißchen irre war, dann konnte man alles, was seit der Wende so passierte, viel besser ertr a gen.

 
    Emmi, Mimmi, Wilma, Babs,
Heidi, Frieda, Hexe
     
    In meine Lochzeit nach Großvaters Tod fiel der Besuch von Tante Helma, Wilmas Schwester. Zwischen den beiden hatte lange Funkstille geherrscht. Helma, g e nannt Hexe, krakelte 1982 mit grünem Kugelschreiber in unser Gästebuch: »Nach dreißig Jahren sitze ich hier. Ich hoffe, nach den Stunden bin ich Euch nicht mehr so fremd. Hexe hat zu ihrer Familie z u rückgefunden.« Hexe gefiel mir. Irgendwas an ihr war schräg. Wenn sie sprach, klang es, als hätte man ihr die Stimmbänder angesägt – rauh und brüchig. Sie hatte einen auffallenden Hang zur Schlampi g keit, gewisse Ähnlichkeiten mit Gro ß mutter waren nicht zu übersehen. Hexe lebte mit Mann und Kind in Bad Salzuflen, einem Kurort in der westdeutschen Provinz. So wie die sich b e nahm, stand sie dort unter ständiger Beobachtung.
    Damals saß Hexe auf unserm Sofa und rauchte eine nach der andern: »Also, ich lackier mir die Nägel einfach über, wenn’s abblättert. Weiß doch keiner. Bis zu dreimal kannste drübergehen, schön dick Farbe drauf, fertig ist der Lack!« »Ick lackier ja gar nich, hab ick überhaupt keine Zeit zu«, tönte Großmutter, die unterstreichen wollte, daß man in der DDR als Frau zur arbeitenden Bevölk e rung gehörte.
    Onkel Mac, Hexes Mann, war von Beruf fliegender Händler. Er kutschierte mal Schmuck, mal Lederjacken, mal Teppiche von Haustür zu Haustür und schwärmte von seinem florierenden G e schäft. Dreißig Jahre Leben West saßen dreißig Jahren Leben Ost gege n über.
    Gustav und Hexe hatten sich gemocht, obwohl Hexe eine Schwester von Großmutter war. Aber es gab da ähnliche Au f fassungen über den Kapitalismus. Daß der Kontakt irgendwann abbrach und man sich vor Großvaters Tod nicht mehr hatte s e hen können, lag unter anderm daran, daß Hexe in Westdeutschland mehrere Jahre im Knast gewesen war. In der Familie ging das G e rücht, daß sie mit radikalen Linken sympathisiert und sich bei ihren politischen Aktivitäten zu weit aus dem Fenster gelehnt ha t te. Nun saß sie hier, und Großvater war tot. Schade, Hexe wäre neben Wilma die zweite begeisterte Anhängerin von Gustavs Lesungen aus dem »Kommunistischen Manifest« gew e sen.
    Emmi und Mimmi, die beiden ändern Schwestern von Wilma, hatten sich nie dafür interessiert, genausowenig wie Mutters Co u sinen Heidi und Frieda. Jetzt, wo der kommunistische Tyrann nicht mehr hinter der Haustür lauerte, trauten sich die Schwestern und Cousinen öfter zu uns. Vor Großmutter mußten sie sich nicht fürchten. Sie benutzte das »Manifest« auch, aber nur für das FDJ-Studienjahr, zu Hause las sie nicht daraus vor. Zwar ließ sie hin und wieder unmißverständlich ihre Gesinnung durchblicken – »Ihr mit eurem Schweinesystem!« –, im al l gemeinen aber verliefen die Familientreffen ohne Gustav viel he i terer. Die Schwestern klopften der roten Wilma, wenn sie nicht aufhören konnte, gegen den Klassenfeind zu hetzen, wohlwollend auf die Schulter: »Ist schon gut, wir wissen ja, was du meinst!«
    Mimmi, die Kindergärtnerin, spazierte durch den Garten und zählte Krokusse: »Das sind aber bei euch nicht so viele dies Jahr«, was heißen sollte: Ich hab mehr! Und Emmi schwärmte von Gu s tavs handbemalten Tischdecken: »Der war ja so begabt! Ein

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