Drei Männer im Schnee
Opfer. Und die Mareks, Sohn und Tochter eines böhmischen Kohlenmagnaten, waren mit Sullivan – einem englischen Kolonialoffizier, der jeden Europaurlaub in Bruckbeuren verbrachte – allein losgezogen. Ohne ihn! Ohne Karl den Kühnen, wie ihn die Stammgäste nannten! Es war schauderhaft.
Er rannte seit dem Lunch, vom Portier Polter mißbilligend betrachtet, aus einer Ecke des Hotels in die andere. Er schien allen Eifer, den er dem Unternehmen schuldig geblieben war, in einem Tag abdienen zu wollen. Schon am frühen Morgen hatte er das gesamte Personal informiert. (Im Verandasaal, wo die Angestellten, bevor die ersten Gäste aus den Zimmern kommen, ihr Frühstück einnehmen.)
»Mal herhören!« hatte er geäußert. »Heute abend trifft ein ziemlich schwerer Fall ein. Ein armer Mann, der ein Preisausschreiben gewonnen hat. Dafür kriegt er von uns Kost und Logis. Andererseits ist er aber gar kein armer Mann. Sondern ein hochgradiger Millionär. Und außerdem ein großes Kind. Nicht außerdem. Er selber ist das Kind. Aus diesem Grunde will er die Menschen kennenlernen. Einfach tierisch! Aber wir werden ihm seine Kindereien versalzen. Ist das klar?«
»Nein«, hatte der Kellermeister kategorisch erklärt. Und die anderen hatten gelacht.
Karl der Kühne war versuchsweise deutlicher geworden. »Unser armer Millionär wird im Appartement 7 untergebracht. Bitte, sich das einzuprägen! Er wird fürstlich behandelt, und Nudeln und Rindfleisch mag er am liebsten. Trotzdem darf er nicht merken, daß wir wissen, wer er ist. Wissen wir ja auch nicht. Verstanden?«
»Nein«, hatte Jonny, der Barmixer, geantwortet. Der Direktor war rot angelaufen. »Damit wir uns endlich besser verstehen, schlage ich folgendes vor: Wer Quatsch macht, fliegt raus!« Damit war er gegangen.
Die siamesischen Katzen trafen am Nachmittag ein. Aus einer Münchner Tierhandlung. Expreß und mit einer ausführlichen Gebrauchsanweisung. Drei kleine Katzen! Sie hüpften fröhlich im Appartement 7 hin und wieder, balgten sich zärtlich, tätowierten die Stubenmädchen und hatten bereits nach einer Stunde zwei Gardinen und einen Gobelinsessel erlegt.
Onkel Polter, der Portier, sammelte Briefmarken. Der ausgebreitete Briefwechsel der Stammgäste erleichterte dieses Amt. Schon hatte er Marken aus Java, Guinea, Kapstadt, Grönland, Barbados und Mandschuko in der Schublade aufgestapelt.
Der Masseur war für den nächsten Vormittag bestellt. Eine Flasche Kognak, echt französisches Erzeugnis, schmückte die marmorne Nachttischplatte. Der Ziegelstein, der abends warm und, in wollene Tücher gehüllt, am Fußende des Betts liegen würde, war auch gefunden. Die Vorstellung konnte beginnen!
Während des Fünfuhrtees in der Hotelhalle erfuhr Karl der Kühne eine ergreifende Neuigkeit: die Stammgäste wußten schon alles! Erst hielt Frau Stilgebauer, die wuchtige Gattin eines Staatssekretärs, den Direktor fest und wollte den Namen des armen Reichen wissen.
Dann wurde Kühne, beim Durchqueren des Bridgesalons, von sämtlichen Spielern überfallen und nach ungeahnten Einzelheiten ausgefragt. Und schließlich verstellte ihm, auf der Treppe zum ersten Stock, Frau von Mallebré, eine eroberungslustige, verheiratete Wienerin, den Weg und interessierte sich für das Alter des Millionärs. Kühne machte unhöflich kehrt und rannte zum Portier Polter, der, hinter seiner Ladentafel am Hoteleingang, gerade einen größeren Posten Ansichtskarten verkaufte. Der Direktor mußte warten. Endlich kam er an die Reihe. »Einfach tierisch!« stieß er hervor. »Die Gäste wissen es schon! Das Personal muß getratscht haben.«
»Nein, das Personal nicht«, sagte Onkel Polter. »Sondern Baron Keller.«
»Und woher weiß es der Baron?«
»Von mir natürlich«, sagte Onkel Polter. »Ich habe ihn aber ausdrücklich gebeten, es nicht weiter zu erzählen.«
»Sie wissen ganz genau, daß er tratscht«, meinte Kühne wütend.
»Deswegen habe ich’s ihm ja mitgeteilt«, erwiderte der Portier.
Der Direktor wollte antworten. Aber Mister Bryan kam gerade vollkommen verschneit und mit Eiszapfen im Bart von draußen und verlangte Schlüssel, Post und Zeitungen. Onkel Polter war noch langsamer als sonst.
Als Bryan weg war, knurrte Kühne: »Sind Sie wahnsinnig?«
»Nein«, bemerkte der Portier und machte sorgfältig eine Eintragung in seinem Notizbuch.
Karl der Kühne schnappte nach Luft. »Wollen Sie die Güte haben und antworten?«
Onkel Polter reckte sich. Er war größer als der
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