Drei Männer im Schnee
ausfüllen?«
Herr Kesselhuth nahm den dargebotenen Tintenstift, stützte sich auf die Theke und notierte voller Sorgfalt seine Personalien. Nun hefteten sich die Blicke aller übrigen endgültig auf den jungen Mann und prüften seinen trübseligen Mantel. Karl der Kühne hüstelte vor Aufregung.
»Womit können wir Ihnen dienen?« fragte der Direktor.
Der junge Mann zuckte die Achseln, lächelte unentschlossen und sagte: »Tja, mit mir ist das so eine Sache. Ich heiße Hagedorn und habe den ersten Preis der Putzblank-Werke gewonnen. Hoffentlich wissen Sie Bescheid.«
Der Direktor verbeugte sich erneut. »Wir wissen Bescheid«, sagte er beziehungsvoll. »Herzlich willkommen unter unserm Dach! Es wird uns eine Ehre sein, Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.«
Hagedorn stutzte. Er sah sich um und merkte, daß ihn die abendlich gekleideten Gäste neugierig anstarrten. Auch Herr Kesselhuth hatte den Kopf gehoben. »Welches Zimmer war doch gleich für Herrn Hagedorn vorgesehen?« fragte Kühne.
»Ich denke, wir geben ihm das Appartement 7«, sagte der Portier.
Der Direktor nickte. Der Hausdiener ergriff Hagedorns Koffer und fragte: »Wo ist das große Gepäck des Herrn?«
»Nirgends«, erwiderte der junge Mann. »Was es so alles gibt!«
Der Portier und der Direktor lächelten lieblich.
»Sie werden sich jetzt gewiß vom Reisestaub reinigen wollen«, sagte Karl der Kühne. »Dürfen wir Sie nachher zum Abendessen erwarten? Es gibt Nudeln mit Rindfleisch.«
»Das allein wäre kein Hinderungsgrund«, sagte der junge Mann.
»Aber ich bin satt.«
Herr Kesselhuth sah wieder vom Anmeldeformular hoch und machte große Augen. Der Hausdiener nahm den Schlüssel und ging mit dem Koffer zum Lift.
»Aber wir sehen Sie doch nachher noch?« fragte der Direktor werbend.
»Natürlich«, sagte Hagedorn. Dann suchte er eine Ansichtskarte aus, ließ sich eine Briefmarke geben, bezahlte beides, obwohl der Portier anzuschreiben versprach, und wollte gehen.
»Ehe ich’s vergesse«, sagte Onkel Polter hastig. »Interessieren Sie sich für Briefmarken?« Er holte das Kuvert heraus, in dem er die ausländischen Marken aufbewahrt hatte, und breitete die bunte Pracht vor dem jungen Mann aus. Hagedorn betrachtete das Gesicht des alten Portiers. Dann unterzog er höflich die Briefmarken einer flüchtigen Musterung. Er verstand nicht das geringste davon. »Ich habe keine Kinder«, sagte er. »Aber vielleicht kriegt man welche.«
»Darf ich also weitersammeln?« fragte Onkel Polter. Hagedorn steckte die Marken ein. »Tun Sie das«, meinte er. »Es ist ja wohl ungefährlich.« Dann ging er, vom strahlenden Direktor geführt, zum Fahrstuhl. Die Stammgäste, an deren Tischen er vorbeimußte, glotzten ihn an. Er streckte die Hände in die Manteltaschen und zog ein trotziges Gesicht.
Herr Johann Kesselhuth legte, völlig geistesabwesend, sein ausgefülltes Formular beiseite. »Wieso sammeln Sie für diesen Herrn Briefmarken?« fragte er. »Und warum gibt es seinetwegen Nudeln mit Rindfleisch?«
Onkel Polter gab ihm den Schlüssel und meinte: »Es gibt komische Menschen. Dieser junge Mann zum Beispiel ist ein Millionär.
Würden Sie das für möglich halten? Es stimmt trotzdem. Er darf nur nicht wissen, daß wir es wissen. Denn er will als armer Mann auftreten. Er hofft, schlechte Erfahrungen zu machen. Das wird ihm aber bei uns nicht gelingen. Haha! Wir wurden telefonisch auf ihn vorbereitet.«
»Ein reizender Mensch«, sagte der Direktor, der vom Lift zurückgekehrt war. »Außerordentlich sympathisch. Und er spielt seine Rolle gar nicht ungeschickt. Ich bin gespannt, was er zu den siamesischen Katzen sagen wird!«
Herr Kesselhuth klammerte sich an der Theke fest. »Siamesische Katzen?« murmelte er.
Der Portier nickte stolz. »Drei Stück. Auch das wurde uns gestern per Telefon angeraten. Genau wie das Briefmarkensammeln.«
Herr Kesselhuth starrte blaß zur Hoteltür hinüber. Sollte er ins Freie stürzen und den zweiten armen Mann, der im Anmarsch war, zur Umkehr bewegen?
Ein Schwarm Gäste kam angerückt.
»Ein bezaubernder Bengel«, rief Frau Casparius, eine muntere Bremerin. Frau von Mallebré warf ihr einen Blick zu. Die Dame aus Bremen erwiderte ihn.
»Wie heißt er denn nun eigentlich?« fragte Herr Lenz, ein dicker Kölner Kunsthändler.
»Doktor Fritz Hagedorn«, sagte Johann Kesselhuth automatisch.
Daraufhin schwiegen sie alle.
»Sie kennen ihn?« rief Direktor Kühne begeistert. »Das ist ja
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