Drei Männer im Schnee
mitleidig: »Das dürfte Ihnen um ein paar Mark zu teuer sein. Gehen Sie ins Dorf zurück, guter Mann! Dort gibt es einfache Gasthäuser mit billigen Touristenlagern.«
»Vielen Dank«, entgegnete der andere. »Ich bin kein Tourist. Sehe ich so aus? Übrigens ist das Zimmer, das ich bei Ihnen bewohnen werde, noch viel billiger.«
Der Portier blickte Herrn Kesselhuth an, schüttelte, dessen Einverständnis voraussetzend, den Kopf und sagte, gewissermaßen abschließend: »Guten Abend!«
»Na endlich!« meinte der arme Mann. »Es wurde langsam Zeit, mich zu begrüßen. Ich hätte in diesem Hotel bessere Manieren erwartet.«
Onkel Polter wurde dunkelrot und zischte: »Hinaus! Aber sofort!
Sonst lasse ich Sie expedieren!«
»Jetzt wird mir’s aber zu bunt!« erklärte der arme Mann entschieden. »Ich heiße Schulze und bin der zweite Gewinner des Preisausschreibens. Ich soll zehn Tage im Grandhotel Bruckbeuren kostenlos verpflegt und beherbergt werden. Hier sind die Ausweispapiere!«
Onkel Polter begann, ohne es selber zu merken, leichte Verbeugungen zu machen. Er verstand die Welt nicht mehr.
Anschließend kam er hinter seiner Ladentafel hervor, stieg von seinem Podest herab, wurde auffallend klein, murmelte: »Einen Augenblick, bitte!« und trabte zum Büro, um den Direktor zu holen.
»Einfach tierisch!« würde Kühne sagen.
Schulze und Kesselhuth waren, vorübergehend, allein. »Herr Geheimrat«, meinte Johann verzweifelt, »wollen wir nicht lieber wieder abreisen?«
Schulze war offenbar taub.
»Es ist etwas Schreckliches geschehen«, flüsterte Johann. »Stellen Sie sich vor: als ich vorhin ankam...«
»Noch ein Wort«, sagte der Geheimrat, »und ich erschlage Sie mit der bloßen Hand!« Es klang absolut überzeugend.
»Auf die Gefahr hin…«, begann Johann.
Doch da öffnete sich die Fahrstuhltür, und Herr Hagedorn trat heraus. Er steuerte auf die Portierloge zu und hielt eine Postkarte in der Hand.
»Fort mit Ihnen!« flüsterte Schulze. Herr Kesselhuth gehorchte und setzte sich, um in der Nähe zu bleiben, an einen der Tische, die in der Halle standen. Er sah schwarz. Gleich würden der Millionär, den man hier für einen armen Teufel hielt, und der arme Mann, den man hier für einen Millionär hielt, aufeinandertreffen! Die Mißverständnisse zogen sich über dem Hotel wie ein Gewitter zusammen!
Der junge Mann bemerkte Herrn Schulze und machte eine zuvorkommende Verbeugung. Der andere erwiderte den stummen Gruß.
Hagedorn sah sich suchend um. »Entschuldigen Sie«, sagte er dann.
»Ich bin eben erst angekommen. Wissen Sie vielleicht, wo der Hotelbriefkasten ist?«
»Auch ich bin eben angekommen«, erwiderte der arme Mann. »Und der Briefkasten befindet sich hinter der zweiten Glastür links.«
»Tatsächlich!« rief Hagedorn, ging hinaus, warf die Karte an seine Mutter ein, kam zufrieden zurück und blieb neben dem andern stehen.
»Sie haben noch kein Zimmer?«
»Nein«, entgegnete der andere. »Man scheint im unklaren, ob man es überhaupt wagen kann, mir unter diesem bescheidenen Dach eine Unterkunft anzubieten.«
Hagedorn lächelte. »Hier ist alles möglich. Wir sind, glaube ich, in ein ausgesprochen komisches Hotel geraten.«
»Falls Sie den Begriff Komik sehr weit fassen, haben Sie recht.«
Der junge Mann betrachtete sein Gegenüber lange. Dann sagte er:
»Seien Sie mir nicht allzu böse, mein Herr! Aber ich möchte für mein Leben gern raten, wie Sie heißen.«
Der andere trat einen großen Schritt zurück.
»Wenn ich beim erstenmal daneben rate, geb ich’s auf«, erklärte der junge Mann. »Ich habe aber eine so ulkige Vermutung.«
Und weil der Ältere nicht antwortete, redete er weiter. »Sie heißen Schulze! Stimmt’s?«
Der andere war ehrlich betroffen. »Es stimmt«, sagte er. »Ich heiße Schulze. Aber woher wissen Sie das? Wie?«
»Ich weiß noch mehr«, behauptete der junge Mann. »Sie haben den zweiten Preis der Putzblank-Werke gewonnen. Sehen Sie! Ich gehöre nämlich zu den kleinen Propheten! Und jetzt müssen Sie raten, wie ich heiße.«
Schulze dachte nach. Dann erhellte sich sein Gesicht. Er strahlte förmlich und rief: »Ich hab’s! Sie heißen Hagedorn!«
»Jawohl ja«, sagte der Jüngere. »Von uns kann man lernen.«
Sie lachten und schüttelten einander die Hand. Schulze setzte sich auf seinen Spankorb und bot auch Hagedorn ein Plätzchen an. So saßen sie, im trauten Verein, und gerieten umgehend in ein profundes Gespräch über Reklame. Und zwar
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