Drei Männer im Schnee
Mannes. Sie erwähnte, der Vollständigkeit halber, daß Herr Casparius in Bremen geblieben sei, um sich dem Tabak und der Beaufsichtigung der beiden Kinder zu widmen.
»Darf ich auch einmal etwas sagen, gnädige Frau?« fragte der junge Mann bescheiden. »Bitte sehr?«
»Haben Sie siamesische Katzen im Zimmer?«
Sie sah ihn besorgt an.
»Oder andere Tiere?« fragte er weiter.
Sie lachte. »Das wollen wir nicht hoffen!«
»Ich meine Hunde oder Seelöwen. Oder Meerschweinchen. Oder Schmetterlinge.«
»Nein«, erwiderte sie. »Bedaure, Herr Doktor. In meinem Zimmer bin ich das einzige lebende Wesen. Wohnen Sie auch in der dritten Etage?«
»Nein«, sagte er. »Ich möchte nur wissen, weswegen sich in meinem Zimmer drei siamesische Katzen aufhalten.«
»Kann man die Tierchen einmal sehen?« fragte sie. »Ich liebe Katzen über alles. Sie sind so zärtlich und bleiben einem doch fremd. Es ist ein aufregend unverbindliches Verhältnis. Finden Sie nicht auch?«
»Ich habe wenig Erfahrung mit Katzen«, sagte erunvorsichtigerweise.
Sie machte veilchenblaue Augen und erklärte mit dichtverschleierter Stimme: »Dann hüten Sie sich, lieber Doktor. Ich bin eine Katze.«
Glücklicherweise setzten sich Frau von Mallebré und Baron Keller an den Nebentisch. Und wenige Minuten später war der Tisch, an dem Hagedorn saß, rings von neugierigen Gästen und lauten Stimmen umgeben.
Frau Casparius beugte sich vor. »Schrecklich, dieser Lärm!
Kommen Sie! Zeigen Sie mir Ihre drei kleinen Katzen!«
Ihm war das Tempo neu. »Ich glaube, sie schlafen schon«, sagte er.
»Wir werden sie nicht aufwecken«, sagte sie.
»Wir werden ganz, ganz leise sein. Ich verspreche es Ihnen.«
Da kam der Kellner und überreichte ihm eine Karte. Auf dieser Karte stand: »Der Unterzeichnete, der zum Toblerkonzern Beziehungen hat, würde Herrn Doktor Hagedorn gern auf einige Minuten in der Bar sprechen. Kesselhuth.«
Der junge Mann stand auf.
»Seien Sie mir nicht böse, gnädige Frau«, sagte er. »Mich will jemand sprechen, der mir von größtem Nutzen sein kann. Das ist ein seltsames Hotel!« Nach diesen Worten und einer Verbeugung ging er.
Frau Casparius versah ihr schönes Gesicht mit einem diffusen Dauerlächeln.
Frau von Mallebré ließ sich nichts vormachen. Sie kniff vor Genugtuung in die Sessellehne. Da sie sich aber vergriff und den Ärmel des Barons erwischte, stöhnte Keller auf und sagte: »Muß das sein, gnädige Frau?«
Herr Kesselhuth erinnerte zunächst daran, daß Hagedorn und er gemeinsam im Grand Hotel eingetroffen wären, und gratulierte zu dem ersten Preis der Putzblank-Werke. Dann lud er den jungen Mann zu einem Genever ein. Sie setzten sich in eine Ecke.
Auf den Hockern vor der Theke saßen die Geschwister Marek mit Sullivan, dem indischen Kolonialoffizier, tranken Whisky und sprachen englisch. Auf einem Sofa von äußerst geringem Fassungsvermögen kuschelte sich das Chemnitzer Ehepaar. Die übrigen Barbesucher hatten das Vergnügen, dem zärtlichen Zwiegespräch zuhören zu dürfen. Die sächsische Mundart eignet sich bekanntlich wie keine zweite zum Austausch lieblicher Gefühle.
Sogar Jonny, der Barmixer, verlor die Selbstbeherrschung. Er grinste übers ganze Gesicht. Schließlich bückte er sich und hackte, ohne Sinn und Verstand, im Eiskasten herum. Denn es geht nicht an, daß Hotelangestellte die Gäste auslachen.
»Wenn man unsere deutsche Sprache mit einem Gebäudevergleichen wollte«, meinte Hagedorn, »so könnte man sagen, in Sachsen habe es durchs Dach geregnet.«
Kesselhuth lächelte, bestellte noch zwei Genever und sagte: »Ich will mich deutlich ausdrücken, Herr Doktor. Ich will Sie fragen, ob ich Ihnen behilflich sein kann. Entschuldigen Sie, bitte.«
»Ich bin nicht zimperlich«, antwortete der junge Mann. »Es wäre großartig, wenn Sie mir helfen würden. Ich kann’s gebrauchen.« Er trank einen Schluck. »Das Zeug schmeckt gut. Ja, ich bin also seit Jahren stellungslos. Der Direktor der Putzblank-Werke hat mir, als ich mich nach einem Posten erkundigte, gute Erholung in Bruckbeuren gewünscht. Wenn ich bloß wüßte, von welcher Anstrengung ich mich erholen soll! Arbeiten will ich, daß die Schwarte knackt! Und ein bißchen Geld verdienen! Statt dessen helfe ich meiner Mutter ihre kleine Rente auffressen. Es ist scheußlich.«
Kesselhuth blickte ihn freundlich an. »Der Toblerkonzern hat ja auch noch einige andere Fabriken außer den Putzblank-Werken«, meinte er. »Und nicht nur
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