Drei Männer im Schnee
über dieWirkungsgrenze origineller Formulierungen. Es war, als kennten sie einander bereits seit Jahren.
Herr Johann Kesselhuth, der sich eine Zeitung vors Gesicht hielt, um an dem Blatt vorbeischauen zu können, staunte. Dann fing er an, einen Plan zu schmieden. Und schließlich begab er sich mit dem Lift ins zweite Stockwerk, um zunächst sein Zimmer, mit Bad und Balkon, kennenzulernen und die Koffer auszupacken. Damit die neuen Anzüge nicht knitterten.
Als Kühne und Polter, nach eingehender Beratung, die Halle durchquerten, saßen die beiden Preisträger noch immer auf dem durchnäßten, altersschwachen Spankorb und unterhielten sich voller Feuer.
Der Portier erstarrte zur Salzsäule und hielt den Direktor am Smoking fest. »Da!« stieß er hervor. »Sehen Sie sich das an! Unser verkappter Millionär mit Herrn Schulze als Denkmal! Als Goethe und Schiller!«
»Einfach tierisch!« behauptete Karl der Kühne. »Das hat uns noch gefehlt! Ich transportiere den Schulze in die leerstehende Mädchenkammer. Und Sie deuten dem kleinen Millionär an, wie peinlich es uns ist, daß er ausgerechnet in unserem Hotel einen richtiggehend armen Mann kennenlernen mußte. Daß wir den Schulze nicht einfach hinausschmeißen können, wird er einsehen.
Immerhin, vielleicht geht der Bursche morgen oderübermorgenfreiwillig. Hoffentlich! Er vergrault uns sonst die anderen Stammgäste!«
»Der Herr Doktor Hagedorn ist noch ein Kind«, sagte der Portier nicht ohne Strenge. »Das Fräulein, das aus Berlin anrief, hat recht gehabt. Bringen Sie schnell den Schulze außer Sehweite! Bevor die Gäste aus den Speisesälen kommen.« Sie gingen weiter.
»Willkommen!« sagte Direktor Kühne zu Herrn Schulze. »Darf ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen?«
Die beiden Preisträger erhoben sich. Schulze ergriff den Spankorb.
Hagedorn sah Schulze freundlich an. »Lieber Herr Schulze, ich sehe Sie doch noch?«
Der Direktor griff ein. »Herr Schulze wird von der langen Reise müde sein«, behauptete er.
»Da irren Sie sich aber ganz gewaltig«, meinte Schulze. Und zu Hagedorn sagte er: »Lieber Hagedorn, wir sehen uns noch.« Dann folgte er dem Direktor zum Lift.
Der Portier legte sehr viel väterliche Güte in seinen Blick und sagte zu dem jungen Mann: »Entschuldigen Sie, Herr Doktor! Es tut uns leid, daß ausgerechnet dieser Gast der erste war, den Sie kennenlernten.«
Hagedorn verstand nicht ganz. »Mir tut es gar nicht leid!«
»Herr Schulze paßt, wenn ich so sagen darf, nicht in diese Umgebung.«
»Ich auch nicht«, erklärte der junge Mann.
Onkel Polter schmunzelte: »Ich weiß, ich weiß.«
»Noch etwas«, sagte Hagedorn. »Gibt es hier in allen Zimmern Tiere?«
Er legte seine Hände auf die Theke. Sie waren zerkratzt und rotfleckig.
»Tiere?« Der Portier starrte versteinert auf die beiden Handrücken.
»In unserm Hotel gibt es Tiere?«
»Sie haben mich offenbar mißverstanden«, erwiderte Hagedorn.
»Ich rede von den Katzen.«
Onkel Polter atmete auf. »Haben wir Ihren Geschmack getroffen?«
»Doch, doch. Die kleinen Biester sind sehr niedlich. Sie kratzen zwar. Aber es scheint ihnen Spaß zu machen. Und das ist die Hauptsache. Ich meine nur: Haben auch die anderen Gäste je drei Katzen im Zimmer?«
»Das ist ganz verschieden«, meinte der Portier und suchte nach einem anderen Thema. Er fand eines. »Morgen früh kommt der Masseur auf Ihr Zimmer.«
»Was will er denn dort?« fragte der junge Mann. »Massieren.«
»Wen?«
»Sie, Herr Doktor.«
»Sehr aufmerksam von dem Mann«, sagte Hagedorn. »Aber ich habe kein Geld. Grüßen Sie ihn schön.«
Der Portier schien gekränkt. »Herr Doktor!«
»Massiert werde ich auch gratis?« fragte Hagedorn. »Also gut.
Wenn es durchaus sein muß! Was verspricht man sich davon?«
Der kleine Millionär verstellte sich vorbildlich. »Massage hält die Muskulatur frisch«, erläuterte Polter. »Außerdem wird die Durchblutung der Haut enorm gefördert.«
»Bitte«, sagte der junge Mann. »Wenn es keine schlimmen Folgen hat, so soll es mir recht sein. Haben Sie wieder Briefmarken?«
»Noch nicht«, sagte der Portier bedauernd. »Aber morgen bestimmt.«
»Ich verlasse mich darauf«, entgegnete Hagedorn ernst und ging in die Halle, um in Ruhe lächeln zu können.
Im vierten Stock stiegen Schulze und Karl der Kühne aus. Denn die Liftanlage reichte nur bis hierher. Sie kletterten zu Fuß ins fünfte Stockwerk und wanderten dann einen langen, schmalen Korridor entlang. An dessen
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