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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Kaffee ein. Er setzte sich zu ihr. Sie sprachen zunächst über das Hotel und die Alpen und über das Reisen. Dann sagte sie: »Ich habe das Gefühl, mich bei Ihnen entschuldigen zu müssen, daß ich eine so oberflächliche Frau bin. Ja, ja, ich bin oberflächlich. Es stimmt leider. Aber ich war nicht immer so. Mein Wesen wird jeweils von dem Mann bestimmt, mit dem ich zusammen lebe. Das ist bei vielen Frauen so. Wir passen uns an.
    Mein erster Mann war Biologe. Damals war ich sehr gebildet. Mein zweiter Mann war Rennfahrer, und in diesen zwei Jahren habe ich mich nur für Autos interessiert. Ich glaube, wenn ich mich in einen Turner verliebte, würde ich die Riesenwelle können.«
    »Hoffentlich heiraten Sie niemals einen Feuerschlucker«, meinte Hagedorn. »Überdies soll es Männer geben, denen dasAnpassungsbedürfnis der Frau auf die Nerven geht.«
    »Es gibt überhaupt nur solche Männer«, sagte sie. »Aber ein, zwei Jahre lang findet es jeder reizend.« Sie machte eine Kunstpause.
    Dann fuhr sie fort: »Ich habe große Angst, daß meine Oberflächlichkeit chronisch wird. Aber ohne fremde Hilfe finde ich nicht heraus.«
    »Wenn ich Sie richtig verstehe, halten Sie mich für einen besonders energischen und wertvollen Menschen.«
    »Sie verstehen mich richtig«, erwiderte sie und sah ihn zärtlich an.
    »Ihre Ansicht ehrt mich«, sagte er. »Aber ich bin doch schließlich kein Gesundbeter, gnädige Frau!«
    »Das ist falsch ausgedrückt«, meinte sie leise. »Ich will doch nicht mit Ihnen beten!«
    Er stand auf. »Ich muß leider fort und meine Bekannten suchen. Wir werden das Gespräch ein andermal fortsetzen.«
    Sie gab ihm die Hand. Ihre Augen blickten verschleiert. »Schade, daß Sie schon gehen, lieber Doktor. Ich habe sehr großes Vertrauen zu Ihnen.«
    Er machte sich aus dem Staube und suchte Schulze, um sich auszuweinen. Er suchte Schulze, fand aber Kesselhuth. Dieser sagte:
    »Vielleicht ist er in seinem Zimmer.«
    Sie begaben sich also ins fünfte Stockwerk. Sie klopften. Weil niemand antwortete, drückte Hagedorn auf die Klinke. Die Tür war nicht verschlossen. Sie traten ein. Das Zimmer war leer. »Wer wohnt hier?« fragte Kesselhuth. »Schulze«, antwortete der junge Mann.
    »Das heißt, von Wohnen kann natürlich gar keine Rede sein. Es ist seine Schlafstelle. Er kommt am späten Abend, zieht seinen Mantel an, setzt die rote Pudelmütze auf und legt sich ins Bett.«
    Herr Kesselhuth schwieg. Er konnte es nicht fassen.
    »Na, gehen wir wieder!« meinte Hagedorn.
    »Ich komme nach«, sagte der andere. »Das Zimmer interessiert mich.«
    Als der junge Mann gegangen war, begann Herr Kesselhuth aufzuräumen. Der Spankorb stand aufgeklappt auf dem Fußboden.
    Die Wäsche war durchwühlt. Der Mantel lag auf dem Bett. Schlipse, Röllchen und Socken häuften sich auf dem Tisch. Im Krug und im Waschbecken war kein frisches Wasser. Johann hatte Tränen in den Augen.
    Nach zwanzig Minuten war Ordnung! Der Diener holte aus seinem eleganten Jackett ein Etui hervor und legte drei Zigarren und eine Schachtel Streichhölzer auf den Tisch.
    Dann eilte er treppab, durchstöberte seine Koffer und Schränke und kehrte, über die Dienstbotentreppe schleichend, in die Dachkammer zurück. Er brachte ein Frottierhandtuch, einen Aschenbecher, eine Kamelhaardecke, eine Vase mit Tannengrün, eineGummiwärmeflasche und drei Äpfel angeschleppt.
    Nachdem er die verschiedenen Gaben aufgestellt und hingelegt hatte, blickte er sich noch einmal prüfend um, notierte einiges in seinem Notizbuch und ging, wieder über die Hintertreppe, in sein vornehm eingerichtetes Zimmer zurück.
    Er war niemandem begegnet. Hagedorn, der im Schreibsalon, im Spielzimmer, in der Bar, in der Bibliothek und sogar auf der Kegelbahn gesucht hatte, wußte sich keinen Rat mehr. Das Hotel lag wie ausgestorben. Die Gäste waren noch in den Bergen. Er ging in die Halle und fragte den Portier, ob er eine Ahnung habe, wo Herr Schulze stecke. »Er ist auf der Eisbahn, Herr Doktor«, sagte Onkel Polter. »Hinterm Haus.«
    Der junge Mann verließ das Hotel. Die Sonne ging unter. Es schimmerten nur noch die höchsten Gipfel. – Die Eisbahn befand sich auf dem Tennisgelände. Aber es lief niemand Schlittschuh. Die Eisfläche war hoch mit Schnee bedeckt. Am andren Ende der Bahn schippten zwei Männer.
    Hagedorn hörte sie reden und lachen. Er ging an dem hohen Drahtgitter entlang, um den Platz herum. Als er nahe genug war, rief er: »Entschuldigen Sie, haben Sie einen

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