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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Schiffahrtslinienbesitzer Kesselhuth in seinem Zimmer und verfaßte einen verzweifelten Brief. Er schrieb:
    »Liebes Fräulein Hildegard!
    Ich habe mich wieder einmal zu früh gefreut. Ich dachte schon, es wäre alles soweit gut und schön. Aber als Doktor Hagedorn und ich heute nachmittag den Herrn Geheimrat suchten, fanden wir ihn nicht. Hagedorn hat natürlich keine blasse Ahnung, wer Herr Schulze in Wirklichkeit ist.
    Wir suchten den Herrn Geheimrat in seinem Zimmer. Und das ist wohl das Verheerendste, was sich denken läßt. Dieses Zimmer liegt im fünften Stock, hat lauter schiefe Wände und ist überhaupt kein Zimmer, sondern eine Rumpelkammer mit Bett. Es gibt keinen Ofen und nichts. Das Fenster ist direkt überm Kopf. Der Schnee tropft herein und wird zu kleinen Eiszapfen. Ein Schrank ist keiner da.
    Sondern die Wäsche liegt auf dem Tisch und in dem Spankorb, den Sie ja kennen. Wenn Sie diese hundekalte, elende Bude sehen würden, fielen Sie sofort um. Von Frau Kunkel gar nicht zu reden.
    Ich habe selbstverständlich sofort aufgeräumt. Und Zigarren und Äpfel auf den Tisch gelegt. Nebst einer Vase mit Tannenzweigen drin. Als Schmuck. Morgen kauf ich eine elektrische Heizsonne im Ort. Hoffentlich gibt es eine solche. Die stelle ich heimlich hin. Ein Kontakt ist da. Heute hat mich niemand gesehen. Das ist ein Glück.
    Denn der Geheimrat will nicht, daß ich hinaufkomme. Weil ich ein reicher Mann sein muß. Und weil ich nicht merken soll, wie er wohnt. Er hat mir nämlich erzählt, sein Zimmer sei reizend und luftig. Luftig ist es ja wirklich. Wenn er uns bloß nicht krank wird!
    Nicht einmal die Zimmernummer hat er mir gesagt! Das Zimmer hat gar keine Nummer. Aber er verschwieg sie nicht nur deswegen, sondern auch, damit ich die Rumpelkammer nicht finde. Er hätte sie allerdings auch nicht sagen können, wenn er gewollt hätte. Doch er wollte ja gar nicht.
    Ich weiß kaum, was ich machen soll. Denn wenn ich ihn bitte, umzuziehen oder abzureisen, wird er mich wieder beschimpfen.
    Oder ich muß sofort nach Berlin zurück, und was soll dann werden?
    Sie kennen ihn ja. Wenn auch nicht so lange wie ich. In dieser Rumpelkammer würde bestimmt kein Diener wohnen bleiben, sondern beim Arbeitsgericht klagen.
    Über mich ist nichts weiter zu erzählen. Heute früh hatte ich die erste Skistunde. Die Bretteln sind sehr teuer. Doch mir kann es nur recht sein. Ich soll ja das Geld hinauswerfen. Der Skilehrer heißt Toni Graswander. Toni ist Anton. Ich habe ihn gefragt. – Er hat mir auf einer Übungswiese gezeigt, wie man’s machen soll. Das Absatzheben und die Stöcke und andere Dinge. Leider lag die Wiese auf einem Berg. Und plötzlich fuhr ich ab, obwohl ich gar nicht wollte. Es hat sicher sehr komisch ausgesehen. Trotzdem hatte ich Angst, weil es so rasch fuhr. Ich bin, glaube ich, bloß vor Schreck nicht hingefallen. Zum Glück waren keine Bäume in der Gegend.
    Ich sauste sehr lange bergab. Dann fuhr ich über eine große Wurzel.
    Und sprang hoch. Und fiel mit dem Kopf in den Schnee. Mindestens einen Meter tief.
    Später wurde ich von zwei Herren herausgezogen. Sonst wäre ich eventuell erstickt. Die zwei Herren waren der Geheimrat und der Doktor Hagedorn. Das war sicher Schicksal. Finden Sie nicht auch?
    Morgen habe ich die zweite Stunde. Das hilft nun alles nichts.
    Liebes Fräulein Hilde, jetzt ziehe ich den Smoking an und gehe zum Abendessen. Vorläufig die herzlichsten Grüße. Ich lasse das Kuvert offen. Womöglich ist schon wieder etwas Neues eingetreten.
    Hoffentlich nein. Also bis nachher.«
    Das Abendessen verlief ohne Störungen. Hagedorn bekam Nudeln mit Rindfleisch. Die Herrschaften, die an den Nachbartischen saßen und Horsd’oeuvres und gestowte Rebhühner verzehrten, blickten auf Hagedorns Terrine, als sei Nudelsuppe mit Rindfleisch die ausgefallenste Delikatesse.
    Schulze bekam einen Teller ab, weil er sagte, er esse es für sein Leben gern. Dann ging er schlafen. Er war müde. Als er in seine Dachkammer kam, staunte er nicht wenig. Er kannte sich nicht mehr aus, bewunderte die Ordnung, beschnupperte die Zigarren und Äpfel und streichelte die Tannenzweige. Die Gummiwärmflasche schob er verächtlich beiseite. Aber die Kamelhaardecke breitete er übers Bett.
    Er war über Johanns heimliche Fürsorge gerührt, nahm sich jedoch vor, Herrn Kesselhuth am nächsten Tag auszuzanken.
    Dann kleidete er sich zum Schlafengehen an, holte einen der Äpfel vom Tisch, kroch ins Bett, löschte das Licht aus und

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