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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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biß begeistert in den Apfel hinein. Es war fast wie in der Kindheit.
    Hagedorn und Kesselhuth saßen noch in der Halle und rauchten Zigarren. Sie schauten dem eleganten Treiben zu.
    Karl der Kühne kam an den Tisch und erkundigte sich, ob die Herren den Tag angenehm verbracht hätten. Dann entfernte er sich wieder, um andere Gäste zu begrüßen und um sich in der Bar als Tänzer zu betätigen.
    Fräulein Marek tanzte mit ihm am liebsten. Hagedorn erzählte sein Erlebnis von der Eisbahn. Herr Kesselhuth geriet vollkommen außer sich. Er war unfähig, sich noch zu unterhalten, entschuldigte sich und ging stracks in sein Zimmer.
    Hagedorn wurde etwas später von einem schlesischen Fabrikanten ins Gespräch gezogen, der herausfinden wollte, ob der junge Millionär geneigt sei, sich mit etlichen hunderttausend Mark an der Wiedereröffnung einer Vorjahren stillgelegten Großspinnerei zu beteiligen. Hagedorn betonte unentwegt, daß er keinen Pfennig Geld besitze. Aber Herr Spalteholz hielt das für Ausflüchte und pries die Gewinnmöglichkeiten in immer glühenderen Farben. Schließlich lud er den Herrn Doktor in die Bar ein. Hagedorn lief geduldig mit. Um den reichlich zwecklosen Gesprächen zu entgehen, tanzte er abwechselnd mit Frau von Mallebré und Frau Casparius. Herr Spalteholz aus Gleiwitz saß meistens allein am Tisch und lächelte gewinnend.
    Hagedorn merkte allmählich, daß es sich lohnte, bald mit der einen, bald mit der anderen Dame zu tanzen. Die Eifersucht wuchs. Die Rivalin trat in den Vordergrund. Und der Mann, um den sich’s drehte, wurde Nebensache. Er verschwand, ohne sich lange zu verabschieden, besuchte rasch noch den Schneemann Kasimir, verschönte ihn durch einen Schnurrbart aus zwei Raubvogelfedern, die er im Walde gefunden hatte, und ging in sein Appartement. Auch er war müde.
    Inzwischen beendete Johann den Brief an Fräulein Tobler. Der Schluß lautete folgendermaßen:
    »Ich habe schon wieder etwas erfahren. Etwas Entsetzliches, gnädiges Fräulein! Am Nachmittag hat der Portier, ein widerlicher Kerl, den Herrn Geheimrat auf die Eisbahn geschickt. Dort mußte er mit einem gewissen Sepp Schnee schippen. Ist es nicht grauenhaft, daß ein so gebildeter Mann wie Ihr Herr Vater in einem Hotel als Straßenkehrer beschäftigt wird? Der Herr Geheimrat soll allerdings sehr gelacht haben. Und er hat dem Doktor Hagedorn verboten, etwas dagegen zu unternehmen. Dabei könnte der Herr Doktor sehr viel erreichen, da man ihn ja für den Millionär hält. Ich bin restlos durcheinander, liebes Fräulein Hilde! Soll ich mich nicht hineinmischen? Ihr Herr Vater tut ja trotzdem, was er will.
    Schreiben Sie mir bitte doch umgehend! Falls Sie es für richtig halten sollten, werde ich mich mit dem Herrn Geheimrat furchtbar zanken und verlangen, daß er ein anderes Zimmer nimmt oder abreist oder sich zu erkennen gibt. Der Herr Doktor sagt selber: Wenn das so weitergeht, muß Schulze nächstens die Treppen scheuern und Kartoffeln schälen. Glauben Sie das auch? Der Herr Geheimrat soll in Bruckbeuren scheuern? Er hat doch keine Ahnung, wie das gemacht wird!
    Ich warte dringend auf Nachricht von Ihnen und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr unverbrüchlicher Johann Kesselhuth.«

Das elfte Kapitel - Der einsame Schlittschuhläufer
    Am nächsten Morgen frühstückten die drei Männer gemeinsam. Der Tag war noch schöner als der vorige. Es hatte nachts nicht geschneit.
    Die Luft war frostklar. Die Sonne malte tiefblaue Schatten in den Schnee. Und der Oberkellner teilte mit, daß soeben vom Wolkenstein herrlichste Fernsicht gemeldet worden sei. Die Gäste wimmelten im Frühstückssaal wie ein Nomadenstamm, der zur Völkerwanderung aufbricht.
    »Was unternimmt man heute?« fragte Schulze. Dann holte er, mit gespielter Umständlichkeit, eine Zigarre hervor, zündete sie an und musterte, über das brennende Streichholz hinweg, den edlen Spender.
    Johann wurde rot. Er griff in die Tasche und legte drei Billetts auf den Tisch. »Wenn es Ihnen recht ist«, sagte er, »fahren wir mit der Drahtseilbahn auf den Wolkenstein. Ich habe mir erlaubt, Fahr-und Platzkarten zu besorgen. Der Andrang ist sehr groß. In einer halben Stunde sind wir dran. Allein möchte ich nicht fahren. Haben Sie Lust mitzukommen? Mittags muß ich allerdings wieder zurück.
    Wegen der zweiten Skistunde.«
    Dreißig Minuten später schwebten sie in einem rhombischen Kasten, der fünfzehn Personen faßte, über den waldigen Hügeln, die dem Wolkenstein

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