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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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geschlagen und hoffte zu halluzinieren.
    Das Mädchen lud zum Sitzen ein. Er kam der Aufforderung völlig geistesabwesend nach und hätte sich beinahe neben den Stuhl gesetzt.
    Hagedorn lachte.
    »Sei nicht so albern, Fritz!« sagte Schulze mürrisch.
    Aber Fritz lachte weiter. »Was hast du denn, Eduard? Du siehst wie ein Schlafwandler aus, den man laut beim Namen gerufen hat.«
    »Gar kein übler Vergleich«, meinte das junge Mädchen beifällig.
    Sie erntete einen vernichtenden Blick von Schulze.
    Hagedorn erschrak und dachte: »Das kann ja heiter werden!«
    Anschließend redete er, fast ohne Atem zu holen, über den Lumpenball, und weswegen Schulze keinen Kostümpreis erhalten hätte, und über Kesselhuths erste Skistunde, und über Berlin einerseits und die Natur andrerseits, und daß seine Mutter geschrieben habe, ob es in Bruckbeuren Lawinen gebe, und –
    »Tu mir einen Gefallen, mein Junge«, bat Eduard. »Hole mir doch aus meinem Zimmer das Fläschchen mit den Baldriantropfen! Ja? Es steht auf dem Waschtisch. Ich habe Magenschmerzen.«
    Hagedorn sprang auf, winkte dem Liftboy und fuhr nach oben.
    »Sie haben Magenschmerzen?« fragte Tante Julchens Nichte.
    »Halt den Schnabel!« befahl der Geheimrat wütend. »Bist du plötzlich übergeschnappt? Was willst du hier?«
    »Ich wollte nur nachsehen, wie dir’s geht, lieber Vater«, sagte Fräulein Hilde.
    Der Geheimrat trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. »Dein Benehmen ist beispiellos! Erst informierst du, hinter meinem Rücken, die Hoteldirektion, und vier Tage später kommst du selber angerückt!«
    »Aber Papa«, entgegnete seine Tochter. »Der Anruf nützte doch nichts. Man hielt doch Herrn Hagedorn für den Millionär!«
    »Woher weißt du das?«
    »Er hat mir’s eben erzählt.«
    »Und weil er dir das eben erzählt hat, bist du vorgestern in Berlin weggefahren?«
    »Das klingt tatsächlich höchst unwahrscheinlich«, meinte sie nachdenklich.
    »Und seit wann hast du eine Tante, die Julchen heißt?«
    »Seit heute früh, lieber Vater. Willst du sie kennenlernen? Dort kommt sie gerade!«
    Tobler wandte sich um. In ihrem zweitbesten Kleid kam, dick und kordial, Frau Kunkel treppab spaziert. Sie suchte Hilde und entdeckte sie. Dann erkannte sie den violett gekleideten Mann neben ihrer Nichte, wurde blaß, machte kehrt und steuerte schleunigst wieder auf die Treppe zu.
    »Schaffe mir auf der Stelle diese idiotische Person herbei!« knurrte der Geheimrat.
    Hilde holte die Kunkel auf den ersten Stufen ein und schleppte sie an den Tisch. »Darf ich die Herrschaften miteinander bekannt machen?« fragte das junge Mädchen belustigt. »Herr Schulze – Tante Julchen.« Tobler mußte sich, aus Rücksicht auf den neugierig herüberschauenden Portier, erheben.
    Die Kunkel reichte ihm, ängstlich und glücklich zugleich, die Hand.
    Er verbeugte sich förmlich, setzte sich wieder und fragte: »Bei euch piept’s wohl? Was?«
    »Nur bei mir, Herr Geheimrat«, erwiderte Tante Julchen. »Gott sei Dank, Sie leben noch! Aber schlecht sehen Sie aus. Na, es ist ja auch kein Wunder.«
    »Ruhe!« befahl Hilde.
    Doch Frau Kunkel trat bereits aus den Ufern. »Auf Leitern klettern, die Eisbahn kehren, Kartoffeln schälen, in einer Rumpelkammer schlafen…«
    »Kartoffeln habe ich nicht geschält«, bemerkte Tobler. »Noch nicht.«
    Die Kunkel war nicht mehr aufzuhalten. »Die Treppen scheuern, schiefe Wände haben Sie auch, und keinen Ofen im Zimmer, ich habe es ja kommen sehen! Wenn Sie jetzt eine doppelseitige Lungenentzündung hätten, kämen wir vielleicht schon zu spät, weil Sie schon tot wären! Es dreht sich einem das Herz im Leibe um.
    Aber natürlich, ob wir inzwischen in Berlin sitzen und jede Minute darauf warten, daß der Blitz einschlägt, Ihnen kann das ja egal sein.
    Aber uns nicht, Herr Geheimrat! Uns nicht! Ein Mann wie Sie macht hier den dummen August!« Sie hatte echte Tränen in den Augen.
    »Soll ich Ihnen einen Umschlag machen? Haben Sie irgendwo Schmerzen, Herr Geheimrat? Ich könnte das Hotel anzünden! Oh!«
    Sie schwieg und putzte sich geräuschvoll die Nase.
    Tobler sah Tante Julchen unwillig an. »So ist das also«, meinte er und nickte wütend. »Herr Kesselhuth hat geklatscht. Mit mir könnt ihr’s ja machen.«
    Seine Tochter sah ihn an. »Papa«, sagte sie leise. »Wir hatten solche Sorge um dich. Du darfst es uns nicht übelnehmen. Wir hatten keine ruhige Minute zu Hause. Verstehst du das denn nicht? Die Kunkel und der Johann und sogar

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