Drei Männer im Schnee
ich, wir haben dich doch lieb.«
Der Kunkel rollte aus jedem Auge je eine Träne über die knallroten Bäckchen. Sie schluchzte auf.
Geheimrat Tobler war unbehaglich zumute. »Lassen Sie die blöde Heulerei!« brummte er. »Ihr benehmt euch ja noch kindischer als ich!«
»Ein großes Wort«, behauptete seine Tochter. »Kurz und gut«, sagte Tobler, »ihr macht hier alles kaputt. Daß ihr’s nur wißt! Ich habe einen Freund gefunden. So etwas braucht ein Mann! Und nun kommt ihr angerückt. Er stellt mich meiner eigenen Tochter vor!
Kurz vorher hat er oben in meinem Zimmer erklärt, daß er dieses Mädchen unbedingt heiraten wird!«
»Welches Mädchen?« erkundigte sich Hilde.
»Dich!« sagte der Vater. »Wie sollen wir dem Jungen nun auseinanderposamentieren, wie sehr wir ihn beschwindelt haben?
Wenn er erfährt, wer Tante Julchen und deren Nichte und der Schiffahrtslinienbesitzer Kesselhuth und sein Freund Schulze in Wirklichkeit sind, guckt er uns doch überhaupt nicht mehr an!«
»Wer will Fräulein Hildegard heiraten?« fragte die Kunkel. Ihre Tränen waren versiegt.
»Fritz«, sagte Hilde hastig. »Ich meine, der junge Mann, der Ihnen im Autobus die Namen der Berge aufgezählt hat.«
»Aha«, bemerkte Tante Julchen. »Ein reizender Mensch. Aber Geld hat er keins.«
Das fünfzehnte KapitelDrei Fragen hinter der TürAls Hagedorn mit den Baldriantropfen anrückte, saßen die drei einträchtig beisammen. Sie einte die Besorgnis, er könne hinter ihr Geheimnis kommen.
»Tante Julchen ist auch da!« sagte er erfreut. »Sind die Koffer ausgepackt? Und wie gefällt Ihnen mein Freund Eduard?«
»Vorzüglich!« antwortete sie aus tiefster Seele.
»Eduard, hier sind die Tropfen«, meinte Hagedorn.
»Was für Tropfen?« fragte Schulze.
»Die Baldriantropfen natürlich!« erklärte Fritz. »Menschenskind, ich denke, du hast Magenschmerzen?«
»Ach richtig«, murmelte der andere, und dann mußte er wohl oder übel Baldriantropfen einnehmen. Mittels eines Kaffeelöffels.
Hagedorn bestand darauf.
Hilde freute sich über die Gesichter, die ihr Vater schnitt. Tante Julchen, die nicht begriffen hatte, daß es sich um erfundene Magenschmerzen handelte, war schrecklich aufgeregt und wollte dem Kranken einen heißen Wickel machen. Schulze schwor, daß es ihm bereits viel, viel besser gehe.
»Das kennen wir!« sagte Tante Julchen mißtrauisch. »Das machen Sie immer so!«
Der Geheimrat und seine Tochter zuckten vor Schreck zusammen.
»Das machen sie immer so, die Männer!« fuhr die Tante geistesgegenwärtig fort. »Sie geben nie zu, daß ihnen etwas fehlt.«
Die Situation war gerettet. Frau Kunkels Gesicht grenzte an Größenwahn. So geschickt hatte sie sich noch nie aus der Affäre gezogen.
Ja, und dann kehrte Herr Kesselhuth von der vierten Skistunde zurück. Er hinkte aus Leibeskräften. Denn er war auf der Übungswiese versehentlich in den Graswander Toni hineingefahren.
Und beide waren, als unentwirrbares Knäuel, in einem Wildbach gelandet. Besonders tiefen Eindruck hatten dem grauhaarigen Skischüler die zahllosen ordinären Redensarten gemacht, mit denen er anschließend vom Herrn Anton Graswander belegt worden war.
Sie waren auf keine Kuhhaut gegangen.
Onkel Polter erkundigte sich teilnahmsvoll, wie der Unglücksfall verlaufen war, und empfahl eine Firma, die den zerrissenen Sportanzug wieder ins Geschick bringen würde.
Kesselhuth sah sich suchend um.
»Herr Doktor Hagedorn sitzt in der Halle«, sagte der Portier.
Kesselhuth humpelte weiter. Er entdeckte den Tisch, an dem Schulze und Hagedorn saßen. Als er, nur noch wenige Schritte entfernt, sah, wer die beiden Frauen waren, begann er leise mit den Zähnen zu klappern. Er fuhr sich entsetzt über die Augen. Das war doch wohl nicht möglich! Er blickte noch einmal hin. Dann wurde ihm übel. Er wäre für sein Leben gern im Boden versunken. Doch es gab weit und breit keine Versenkung. Er humpelte hinüber.
Tante Julchen grinste schadenfroh.
»Was ist denn mit Ihnen geschehen?« fragte Schulze.
»Es ist nicht sehr gefährlich«, meinte Kesselhuth. »Es gab einen Zusammenstoß. Das ist alles. Ich habe aber das Gefühl, daß ich keinen Sport mehr treiben werde.«
Tante Julchen sah Herrn Hagedorn hypnotisch an. »Wollen Sie uns nicht vorstellen?«
Der junge Mann machte die Herrschaften miteinander bekannt.
Händedrücke wurden getauscht. Es ging sehr förmlich zu.
Kesselhuth wagte nicht zu sprechen. Jede Bemerkung konnte grundverkehrt
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