Drei ohne Punkt und Komma - Mathilda, Mathilda! ; [2]
und die Angst stieg in mir auf.
Lange diskutierten wir zwischen unseren Matratzen hin und her, und als es langsam hell wurde, hatte mich Hannah fast davon überzeugt, dass ich in meiner neuen Klasse so beliebt sein würde, wie ich es in unserer alten Klasse gewesen war. »Du musst nur du selber sein, dann wird alles bestens klappen«, versicherte mir meine abf und stupste mich aufmunternd an.
Für alle Fälle überlegten wir noch gemeinsam, welches Outfit ich am ersten Tag an meiner neuen Schule anziehen sollte. Nicht zu auffällig, nicht zu langweilig, aber unbedingt so, dass man sah, dass ich aus der Stadt kam.
Nur an etwas hatte ich dabei nicht gedacht. Aber wer rechnet auch schon mit so etwas …
Mehr Albtraum als erster Schultag
W enn ich einen Tag komplett aus den Gedächtnissen von allen Menschen – inklusive meinem eigenen Gehirn! – löschen könnte, dann meinen ersten Schultag am Gymnasium in Großwinkel. Als ich neben Linn und Philippa auf den Schulhof kam, fühlte sich mein Magen so an, als hätte ich hundert Tüten Brausepulver hintereinander gegessen. Immerhin trug ich ein lässiges T-Shirt, dazu den kurzen dunkelroten Rock, den meine Patentante Anouk mir aus Paris mitgebracht hat, und meine superstylishen Stiefel. So etwas hatten die Landeier garantiert nicht. Meinen gepunkteten Schal hatte ich locker über die Schultern geworfen, aber am liebsten hätte ich mich dahinter versteckt. Neben mir marschierte blass und stumm meine Schwester Friederike. Dass die mal gar nichts sagt, das gibt es so gut wie nie. Ich blickte in lauter unbekannte Gesichter, während Linn und Philippa so ziemlich jeden zu kennen schienen. Überall fielen sich Freundinnen um den Hals und begrüßten sich. Das gab mir einen Stich. Denn genau so wäre es an meiner alten Schule in Köln heute auch bei mir und meinen Freundinnen gewesen.
»Kommt, hier lang«, sagte Linn. »Wir bringen euch bis zum Sekretariat.« Sie führten uns durch das Schulgebäude, das fast so roch wie meine alte Schule, aber mir völlig fremd war. Dann blieben wir im Treppenhaus stehen. Vor uns lag das Sekretariat.
»Da ist es. Jede Wette, dass du in unsere Klasse kommst!«, rief Philippa.
»Unser Klassenlehrer heißt Herr Sägmeier«, fügte Linn hinzu.
Ich konnte nur stumm nicken. Mein Mund war so schrecklich trocken. Meine Knie fühlten sich butterweich an und ausgerechnet jetzt musste ich dringend aufs Klo.
Aber was machte da meine kleine Schwester? Sie rannte von uns weg, die Treppe hinauf. »Bleib hier, Friederike«, schrie ich, flitzte ihr hinterher und fasste ein Mädchen mit dunklen Haaren von hinten am Arm.
»He, was soll das?« Eine Wildfremde funkelte mich wütend an.
War das peinlich! »Oh … ich … ähm … habe … dich … ähm … verwechselt«, stammelte ich.
Erst jetzt sah ich, dass meine kleine Schwester neben Linn am Boden kniete und ihre Chucks zuband. »Mathilda, bist du blind oder was?«, fragte sie frech und richtete sich auf.
Ich warf ihr nur einen wütenden Blick zu, der alles sagte, warf meinen Schal lässig über die Schulter und betrat als Erste von uns das Sekretariat. Immerhin bin ich die Ältere!
Wenig später hielt ich einige Zettel in den Händen. »Du kommst in die Klasse von Herrn Sägmeier«, erklärte mir die Sekretärin. Vor Erleichterung hätte ich heulen können, denn das war tatsächlich die Klasse von Linn und Philippa. Aber dann fiel mir ein, dass ich dort niemanden sonst kennen würde und es rumorte in meinem Bauch.
»Findest du dein Klassenzimmer im vierten Stock alleine oder soll dich jemand begleiten?« Die Sekretärin sah mich fragend an.
»Das schaffe ich«, sagte ich. Aber da gab es etwas, das ich vorher unbedingt tun musste. »Entschuldigung«, flüsterte ich. »Wo sind die Toiletten?«
Kaum war ich dort, klingelte es schon zur ersten Stunde – auf keinen Fall wollte ich zu spät in meine Klasse kommen. Hastig zog ich meine Unterhose hoch, schnappte meine Schultasche und rannte in den vierten Stock hinauf. Außer mir war niemand sonst mehr im Treppenhaus. Die Absätze meiner Stiefel knallten laut auf den Treppenstufen. Es klang fast wie Schüsse. Außer Atem kam ich im vierten Stock an.
Ich sah es sofort. Die Türen zu meinem und zu allen anderen Klassenzimmern auf diesem Gang waren schon geschlossen. Ich kam zu spät!
Keuchend blieb ich vor der Tür zu meiner neuen Klasse stehen, strich meine Locken zurück und atmete tief ein und aus, um mich etwas zu beruhigen. Dann betrat ich das
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