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Drei sind einer zuviel

Drei sind einer zuviel

Titel: Drei sind einer zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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sowieso
sauer.«
    Ein Schmalzbrot zwischen den Zähnen, die Mappe unterm
Arm, rannte Peter in langen Sprüngen vom Hof.
    Benedikt blieb am Frühstückstisch sitzen und
studierte, gemächlich kauend, sein Tagesprogramm. Er wollte nach Cham fahren.
Da hatte eine Schreinerwitwe eine Hobelbank samt Einspannvorrichtung billig
abzugeben. Außerdem brauchte er eine neue Bohrwinde, dann mußte er die morschen
Dachbalken ausmessen, neue bestellen und das Sonderangebot an Flickerlteppichen
im Kaufhaus Hirn begutachten. Vielleicht eignete es sich für die Kammern.
     
    Peter hechtete indessen den von Wagenrädern und
Regengüssen zerfurchten Weg zur Landstraße hinunter. Da standen schon ein paar
Kinder an der Kreuzung, eine Bäuerin brachte ihre beiden Buben per Traktor
gerade in dem Augenblick, als der Schulbus um die Kurve bog und hielt. Die Tür zischte
auf.
    »Guten Morgen, Herr Lehrer!«
    Im hinteren Wagenteil wurden Schulaufgaben
abgeschrieben — sie sahen dementsprechend verschuckelt aus. Zwei Buben
modellierten sich gegenseitig den Schädel mit ihren Mappen. Und wie immer
preßte die sechzehnjährige Rosi ihre frühreifen Ausbuchtungen gegen Peter, wenn
er sich an ihr im Gang vorbeiwand. Mitten unter den Kindern hockte eine
winzige, bucklige, schwarzgekleidete, uralte Dame. Als sie Peter sah, gab sie
dem neben ihr sitzenden, ein Gedicht auswendig lernenden Knaben einen
energischen Schubs, der ihn samt Buch und Mappe zwischen den Bänken landen
ließ.
    »Laß den Herrn Lehrer sitzen. Schlimm genug, daß
d’ nicht von selbst drauf kommen bist«, pfiff sie hinter ihm her, und dann voll
Güte zu Peter aufblickend: »Kommen Sie, junger Mann. Setzen Sie sich zu mir.
Wir kennen uns noch nicht, aber ich habe schon von Ihnen gehört. Ich bin Frida Kirchlechner
— Volksschullehrerin, seit 1969 im Ruhestand.«
    Peter gab ihr die Hand. Ein ausgedienter
Kaugummi traf ihn am Kopf.
    »Ich war Lehrerin in Hinteroberndorf, bevor die
Zwergschulen aufgelöst wurden«, klärte ihn Frida Kirchlechner auf, nachdem er
neben ihr Platz genommen hatte. Der Hiebl-Sepp«, sie meinte den Busfahrer, »war
auch ein Schüler von mir. Drum nimmt er mich mit, wenn ich in die Stadt
will...«, nach einer Weile: »...und zurück.«
    Peter zeigte sich interessiert. »Muß komisch
sein, wenn die Kinder, die man einmal unterrichtet hat, plötzlich Erwachsene
sind.«
    Er erhielt keine Antwort, denn die Alte schaute
interessiert aus dem Fenster und schien ihn längst vergessen zu haben. Deshalb
zog er ein Lehrbuch aus der Tasche und schlug es auf.
    Das schien das Signal für sie, die Konversation
wieder aufzunehmen. »Mit der Erziehung hatte ich nie Schwierigkeiten. Weil ich
hab mich durchgesetzt.« Sie vollführte mit der Hand eine hiebfeste Geste. »Nix
mit diesen neumodischen Methoden. Die Kinder dürfen nichts zum Sagen haben. Die
müssen spurn. Sonst-!!«
    »Na ja, damals«, sagte Peter. »Heute — «
    »Aber ich habe auch gelobt«, unterbrach sie ihn.
»Ja, das hab ich. Wer seine Gedichte ohne Fehler hersagen konnte, der hat ein
Gutkärtl kriegt. Wer sich brav benommen hat, hat auch eines bekommen.
Unaufgefordert aufstehen oder austreten während des Unterrichts — nix da! Wer
trotzdem ausgetreten ist, mußte ein Gutkärtl abgeben. Für zehn Gutkärtl im
Monat gab’s ein Heiligenbildl.«
    Peter staunte: »So einfach war das. Sagen Sie —
« Er brach ab, denn die Alte hatte ihm schon wieder den Rücken zugewandt und
schaute aus dem Fenster. Also schlug er sein Buch auf und hatte noch nicht drei
Zeilen gelesen, als ihre energische Altfrauenstimme ihn von der Seite anfuhr:
»Sie!! Das mit den Gutkärtln sollten Sie wieder einführen. Ein Heiligenbildl zu
erringen, ist der größte Anreiz für Kinder zum Bravsein und Lernen.«
    »Meinen Sie?« Peter hatte da gewisse Zweifel.
     
    Am selben Morgen begann der Abbau der Stände und
Buden rund um die Mariahilfkirche in der Münchner Au. Die Dult war vorüber.
    Auch Marianne, Karlchen und Onkel Ernst packten
ihre Westerwald-Keramik wieder ein und schleppten die Kisten und Kartons zum
Kombi, das heißt, Onkel Ernst war vor allem damit beschäftigt, Marianne und
Karlchen zu dirigieren, wo und wie sie jede Kiste im Auto zu verstauen hatten.
Herr Müller-Mallersdorf saß derweil am Straßenrand.
    »Na bitte«, sagte Onkel Ernst zu Marianne, als
das Arrangement zu seiner Zufriedenheit ausgefallen war. »Der Nichtverkauf war
halb so schlimm, wie du vorausgesagt hast. Immer mußt du schwarzsehen.
Stimmt’s,

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