Drei Unzen Agonie

versetzte sie wie aus
der Pistole geschossen. »Ich bin das faszinierendste Geschöpf, das ich kenne .«
     
     
     

9
     
    Ich stand vor der Tür und
läutete Sturm, als Jonathan Lord ankam. Er stürzte an mir vorbei, drängte seine
Schwester weg und schob hastig einen Schlüssel ins Schloß. Die Tür sprang auf.
Ich folgte ihm in die Wohnung. Maxine eilte uns nach. Das Wohnzimmer war leer.
Ich ließ Jonathan stehen und öffnete die Tür zum Schlafzimmer. Als ich dort das
Licht anknipste, hörte ich hinter mir einen erstickten Aufschrei. Gleich darauf
stieß mich Jonathan Lord mit heftiger Bewegung zur Seite.
    Cindy Vickers lag schlaff und
leblos auf dem Bett. Eine Strähne schwarzen Haares verhüllte die eine Wange.
Ihr Kleid war bis zu den Schenkeln hochgeschoben, der Mantel lag am Fuß des
Bettes auf dem Boden. Ihr Gesicht schien gefroren in einem Ausdruck
fassungslosen Entsetzens. Um ihren Hals lag ein schmaler Ledergürtel.
    »Oh, mein Gott«, sagte eine
zitternde Stimme hinter mir.
    Ich drehte mich um. Maxine
stand in der Tür, ihr Gesicht war totenbleich. Ungläubig starrte sie das tote
Mädchen auf dem Bett an. Sie widersetzte sich nicht, als ich ihr die Hand auf
die Schulter legte und sie aus dem Zimmer schob. Willig ließ sie sich auf das
Sofa niederdrücken. Dann öffnete ich den Barschrank und mixte rasch zwei
Drinks. Ich reichte ihr ein Glas. Dankbar trank sie den Alkohol. Ihr Gesicht
war noch immer aschfahl, ihr Blick leblos. Ich trug das andere Glas ins
Schlafzimmer, wo Jonathan noch immer am Bett stand und auf Cindys leblosen
Körper niederstarrte. Ich drückte ihm das Glas in die Hand. Er trank
automatisch. Als das Glas leer war, spreizte er einfach die Finger und ließ es
zu Boden fallen.
    »Slessor?« Seine Stimme klang
brüchig. »Warum?«
    Ich trat zur Kommode, öffnete
die unterste Schublade und schob meine Hand unter einen Wäschestapel. Es
dauerte nicht lange, bis ich fand, was ich suchte. Ich legte die beiden
Schmuckstücke auf die Kommode. Jonathan nahm die Nadel in die Hand und las
aufmerksam die Inschrift. Dann besah er sich den Anhänger.
    »Die Stücke habe ich ihr nicht
geschenkt«, sagte er tonlos.
    »Nein. Augie brachte sie ihr
und befahl ihr, sie hier aufzubewahren. Er versprach ihr sogar einen
Nerzmantel. Hat sie Ihnen das nicht erzählt ?«
    »Wahrscheinlich schon .« Er rieb sich mit müder Bewegung das Gesicht. »Ich war so
außer mir über das, was sie ihr angetan hatten, und so glücklich, sie gesund
und wohlbehalten wiederzuhaben, daß ich nicht allzu aufmerksam zuhörte .«
    »Sie haben offenbar den Sinn
der Sache nicht begriffen«, erklärte ich. »Nämlich: Sie waren so unsterblich in
Cindy verliebt, daß Sie sie mit teuren Geschenken überhäuften, obwohl Sie sich
das gar nicht leisten konnten. Bis zu dem Zeitpunkt, als heute morgen die Fotos
eintrafen, brannten Sie darauf, Cindy zu heiraten .«
    »Ich habe die Bilder
vernichtet«, knirschte er. »Vor ihren Augen. Ich habe mir die schmutzigen
Machwerke nicht einmal angesehen. Sie waren noch im Umschlag, als ich sie
anzündete .«
    »Aber Sie haben den Empfang
bestätigt, weil sie Ihnen nämlich per Einschreiben zugingen«, fuhr ich geduldig
fort. »Und jetzt haben wir nur Ihr Wort, daß Sie die Fotos verbrannten, ohne
sie angesehen zu haben. Ich bin überzeugt, daß mindestens noch ein Satz Fotos
existiert, der sich vielleicht inzwischen schon in den Händen der Polizei
befindet. Die Fotos sollen das Motiv liefern. Als Sie die Fotos sahen, wandelte
sich Ihre Liebe in wilden Haß und ungezügelte Wut. Die Fotos trieben Sie zu dem
Mord an Cindy .«
    Er starrte mich offenen Mundes
an. »Sie sind verrückt geworden, Boyd. Ich habe Ihnen doch erzählt, was
geschehen ist. Sie riefen Cindy an und forderten sie auf, allein
hierherzukommen. Ich vertraute Ihnen, weil Sie Cindy gerettet hatten. Deshalb
ließ ich sie gehen .«
    »Es steht fest, daß derjenige,
der sie hierherlockte, seine Stimme verstellte«, konstatierte ich. »Wie aber
wollen Sie beweisen, daß Ihre Geschichte nicht pure Erfindung ist ?«
    »Sie glauben allen Ernstes, man
wird annehmen, ich hätte Cindy getötet ?« fragte er
ungläubig.
    »Was denn sonst ?« fragte ich gereizt zurück. »Sie hatten Motiv und
Gelegenheit. Sie sitzen in der Falle, und wenn Sie nicht schnellstens etwas
unternehmen, landen Sie auf dem elektrischen Stuhl .«
    »Slessor?« Er befeuchtete sich
erregt die Lippen. »Das ist Slessors Werk .«
    »Der wiederum nur das
ausführende Organ