Drei Unzen Agonie
Schlüssel.
»Was ist das Haus schon ohne
seine Herrin ?« sagte ich.
»Sie?« Das klang so überrascht,
als wäre ich von den Toten auferstanden. »Was sollen diese idiotischen Scherze,
Boyd ?«
Sie sperrte die Tür auf,
knipste das Licht im Vorsaal an und trat ein. Ich folgte ihr rasch, ehe sie mir
die Tür vor der Nase zuschlagen konnte. Dann wirbelte sie herum und starrte
mich mit kaltem Zorn an. Sie trug eine Pelztoque auf dem langen Haar und ein
Cape aus rotem Fuchs, dazu Lederstiefel. Mit einer Peitsche in der Hand hätte
sie bestimmt ein ganzes Rudel Löwen in Schach halten können.
»Was, zum Teufel, soll das
alles ?« fuhr sie mich an.
»Was soll was ?« fragte ich dümmlich.
»In Ihrem Büro rührte sich
nichts, als ich hinkam. Ich brauchte zehn Minuten, ehe ich schließlich den
Hausmeister mobil hatte. In der Kälte wäre ich beinahe erfroren. Der
Hausmeister dachte, ich hätte den Verstand verloren .«
»Ich bin überzeugt, daß Sie
allen Grund hatten, mich zu dieser nachtschlafenden Zeit in meinem Büro
aufzusuchen«, meinte ich vorsichtig. »Doch vielleicht könnten Sie sich näher
erklären ?«
»Sie haben anscheinend ein
Gedächtnis wie ein Sieb .« Sie funkelte mich einen
Moment wütend an. Dann verzog sich ihr Mund sarkastisch. »Oder muß man bei
armen Irren wie Ihnen vielleicht Ausnahmen gelten lassen, Boyd? Sie erinnern
sich wohl nicht, daß Sie mich vor ungefähr einer Stunde anriefen und erklärten,
Sie müßten mich unbedingt sprechen, es ginge um Leben und Tod, und ich sollte
so rasch wie möglich in Ihr Büro kommen ?«
»Ich soll Sie angerufen haben ?« Der Ausdruck ihres Gesichts verriet mir, daß sie nicht
scherzte. Ich zuckte die Schultern. »Wie klang denn meine Stimme ?«
»Genauso arrogant wie sonst.
Wie sind Sie übrigens die Erkältung so schnell losgeworden, die an Ihrer
Heiserkeit...« Sie riß plötzlich die Augen auf. »Das waren gar nicht Sie ?«
»Sehr richtig kombiniert .«
»Aber warum gibt sich ein
Fremder für Sie aus ?«
»Vielleicht war’s ein Fan von
mir, der einmal in die Rolle des großen Danny Boyd schlüpfen wollte«, meinte
ich vergnügt. »Jahrelang hatte er sich danach gesehnt, es seinem Idol
gleichzutun, und an diesem Abend fand er plötzlich den Mut...«
»Ach, halten Sie den Mund«,
fuhr sie mich an. »Das gefällt mir nicht. Da muß doch etwas dahinterstecken .«
»Sicher«, stimmte ich zu. »Kann
sein, daß wir den Grund herausfinden, kann aber auch nicht sein. Mit Geduld und
Spucke...«
»Manchmal hätte ich wirklich
gute Lust, Ihnen mit bloßen Händen den Garaus zu machen, Danny Boyd !«
Sie nahm Hut und Cape ab und
warf die Sachen nachlässig auf einen Stuhl. Darunter trug sie ein Kleid aus
Wolljersey mit senffarbenen und rostroten Streifen. Mir wurde ein wenig
schwindlig, als ich es näher musterte.
»Was wollen Sie überhaupt hier ?« fragte sie unvermittelt.
»Fünftausend Dollar«,
antwortete ich liebenswürdig.
Die veilchenblauen Augen wurden
tiefdunkel. »Sie wissen, wer die Formel gestohlen hat ?«
»Stellen Sie einen Scheck auf
die Firma Boyd Enterprises aus«, versetzte ich. »Das Taxigeld erlasse
ich Ihnen großzügig .«
Sie lächelte strahlend, doch
unter dem Lächeln verbarg sich Eiseskälte. Wie eine Katze, die eine fette Maus
aufgespürt hat, leckte sie sich die Lippen. »Wer ?« hauchte sie.
»Erfreut werden Sie nicht
sein«, warnte ich sie. »Aber Sie haben mich ja engagiert, um die Wahrheit
herauszufinden, nicht ?«
»Lassen Sie die
Verzögerungstaktik, Boyd .« Ihre Stimme war spröde.
»Wer war’s ?«
Ich zog das unterzeichnete
Geständnis aus meiner Brieftasche und reichte es ihr. Sie riß es mir beinahe
aus der Hand. Dann verschlangen ihre Augen gierig das Geschriebene.
»Man muß hin und wieder auch
mal einen Schlag einstecken«, meinte ich philosophisch. »Ich könnte Ihnen da
verschiedene Aussprüche großer Geister anführen, aber Sie dürfen Ihrem Ärger
auch Luft machen, wenn Sie wollen. Mich stört es nicht .«
Einen Augenblick flammte ein
undeutbarer Schimmer in ihren Augen auf. Dann warf sie den Kopf in den Nacken
und lachte. Ich starrte sie offenen Mundes an.
»Unsere Jungfer
Rührmichnichtan«, keuchte sie lachend. »Die arme kleine Ursula! Das
Mauerblümchen! Und ich bildete mir ein, alles über sie zu wissen. Das arme Kind
wußte gewiß gar nicht, wie ihr geschah, als Charles in Aktion trat. Na« — ihr
Gesicht wurde hart —, »sie wird schon merken, was los ist, wenn ich erst in
Aktion
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