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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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nach Heiterkeit, und wollte sich zu überflüssigen Einkäufen verführen lassen, seien es die traditionellen Braunen Kuchen, eine paar hübsche Knöpfe oder eine zweifellos zu teure Puppe für ihre Großnichte in den fernen amerikanischen Kolonien. Kurz und gut, Madam Augusta hatte Lust auf Unvernunft. Solche Anwandlungen ereilten sie regelmäßig, meistens gab sie ihnen nach, was wie ihre Großzügigkeit zu den liebenswerten Zügen ihres Charakters zählte.
    Nun stand sie in dem großen Hauptschiff und seufzte. «So ein stolzes altes Gotteshaus und so überflüssig», murmelte sie und bemühte sich vergeblich, den Vergleich mit einer alten Matrone zu vermeiden. Das war nur eine dumme Anwandlung. Madam Augusta fühlte sich sehr selten überflüssig, weil sie das Leben liebte und selbst geliebt wurde, zudem die nötigen Mittel hatte, es sich bequem und anregend einzurichten. Als sie ihren Mann und ihre Söhne verlor, hatte sie gewünscht, auch ihr Leben sei zu Ende. In gewisser Weise war es das auch, damals, vor so vielen Jahren. Nun lebte sie immer noch, eben ein anderes Leben, war darin zufrieden und gut aufgehoben. Manchmal fiel es ihr schwer, diese beiden Teile ihrer langen Geschichte als ein Ganzes zu sehen.
    Sie überließ sich nicht gleich dem Marktgetümmel. In der Mitte des Hauptschiffs, das frei von Buden war, hockte auf dem längst ramponierten und noch länger leeren Grabmal eines vor Jahrhunderten in den unwirtlichen Norden verbannten Papstes ein Grüppchen Männer. Sie pafften ihre Pfeifen und amüsierten sich bei einem Würfelspiel. Gegen Abend würde wie alle Jahre ein Suppenkoch die große Steinplatte als Theke für seine Kundschaft besetzen.
    Auf den Stufen zur Kanzel aus schwarzem Marmor, ehemals ein immens kostbares frommes Kunstwerk, nun grau von uraltem wie neuem Staub, der reiche Figurenschmuck ramponiert, hockte ein alter, ganz in Schwarz gekleideter Mann. Er sah tieftraurig aus, als finde er im Leben nur Tristesse. Madam Augusta war versucht, ihm ein Markstück in die Hand zu drücken, etwas an ihm hielt sie zurück. Etwas Würdiges. Womöglich beleidigte ihn eine solche Gabe.
    Auch die zahlreichen an den Säulen und Wänden noch erhaltenen Epitaphe waren einmal mehr gewesen als Gedenktafeln für bedeutende oder auch nur reiche Familien oder Ämter, nun war von der Kunst ihrer Maler, Steinmetze und Schnitzer nicht mehr viel zu erkennen, von Alter und feuchter Luft waren sie geschwärzt und brüchig, hingen sie unbeachtet, vergessen gar, an ihren Plätzen.
    Augusta fröstelte nicht nur, weil die Kälte durch ihren pelzgefütterten Umhang kroch. Dieser östliche Teil des Gotteshauses nahe dem heiligsten Bereich war am schmutzigsten und düstersten, in dunklen Ecken raschelte und raunte es. Augusta wollte nicht wissen, warum. Vielleicht waren es nur Mäuse. Wie konnten die Domherren, diese wohlhabenden hanseatischen Bürger, die im Auftrag der Hannoveraner die Kirche gegen gute Pfründe verwalteten, sie so verfallen lassen? Andererseits – was war eine uralte, in ihrer Gestaltung schon lange unpassend altväterliche Kirche ohne richtige Gemeinde? Noch ein Gotteshaus?
    Sie drehte sich um, winkte Betty, dem Mädchen, das sie heute begleitete und nun fern der lockenden Buden fast so unglücklich aussah wie der Mann auf den Kanzelstufen, und beeilte sich, zu Licht und Gedränge zurückzukommen, zur Fröhlichkeit des weihnachtlichen Marktes. Sie steckte Betty das Silberstück zu, das sie dem Alten bei der Kanzel nicht hatte geben mögen – so ein Vergnügen war keines, wenn man es mit leerer Börse besuchte.
    Als Madam Augusta alles gesehen hatte, nacheinander mit den Damen Bocholt, van Witten und Büsch geplaudert hatte, kaufte sie für ihre geizige Wandsbeker Freundin Amanda eine Schachtel edles Konfekt. Endlich erstand sie noch für ihren Großneffen Niklas, der seine Vorliebe für Käfer, Raupen, Schmetterlinge und anderes Kleingetier neu belebt hatte, ein kaum benutztes Buch über die Urwälder von Surinam mit besonders akkuraten und das Auge erfreuenden Bildern. Betty trug schon einen Beutel mit allerlei Flitter- und Glasschmuck für die Weihnachtspyramide im großen Salon, dem konnte Augusta nie widerstehen. Beim Blättern in Niklas’ neuem Buch hatte sie ein besonders hübsches Bild von Spanischem Pfeffer gesehen, mitsamt einer dicken Raupe, die brauchte sie nicht, aber Sämereien würden der Frau ihres Neffen Freude machen. Anne war eine leidenschaftliche Gärtnerin, in ihren Glashäusern

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