Drei Wünsche
dem stoppeligen Kinn war bleich – kurz und gut, vor ihr stand kein glücklicher Mann. «Das hier ist ein Gotteshaus», knurrte er weiter, «auch wenn’s grade nicht so aussieht, was wahrlich eine Schande ist, aber da kann man nichts machen. Hunde allerdings – raus damit. Sofort.»
Theda hatte nicht bedacht, dass das Hündchen ihr in die Domkirche folgen werde, sie hätte es auch nicht verhindert. Draußen war es kalt, und so ein kleines Tier im Gedränge konnte niemanden stören. Sie dachte daran abzustreiten, dass der Knirps im Fell zu ihr gehöre, da flötete eine süße Stimme: «Oh, so ein netter Hund.»
Ein Mädchen, das braune, zu vielen um den Kopf gelegten Zöpfchen geflochtene Haar voller bunter Seidenblüten und Papierkringel, strich über den Rücken des vor Schreck mal wieder zitternden Hündchens, das mit einem halbherzigen Knurren dankte.
«Er bellt nicht, er beißt nicht», fuhr sie munter fort und schenkte dem düsteren Alten ein schmelzendes Lächeln, «er ist der treueste Begleiter. Ach ja. Auch für die Dame dort drüben.» Sie wies zu einer in ihrem Pelzkragen fast verschwindenden Matrone, die einen weißen Spitz auf dem Arm trug. Alle im Schappendom – außer Theda vielleicht und zwei Reisenden aus dem Königreich Bayern – wussten, dass sie Madam van Witten war, die ungemein einflussreiche Gattin eines Senators, eine der ersten Damen der Stadt. «Unsern Herrn Jesus nicht zu vergessen», nun bekam die Stimme des Mädchens einen strengen Ton, «jeder weiß, dass er auch so einen gehabt hat, ich meine, einen Hund. Bei Matthäus nachzulesen, aber gerade Euch muss ich daran natürlich nicht erinnern.»
Der alte Mann schnaufte knurrend, es ähnelte den seltsamen Geräuschen, die das Hündchen hin und wieder machte, dann hob er an zu sprechen, knurrte stattdessen noch einmal, drehte sich um und verschwand mit müde hängenden Schultern im Dunkel der großen Kirche, dorthin, wo die Tür zur Sakristei sein musste.
Theda sah ihm verblüfft nach, sah das Mädchen an, das mit breitem Grinsen neben ihr stand, die Arme triumphierend vor der Brust verschränkt.
«Ihr wisst nicht, wer das ist, oder?», fragte sie und fuhr gleich fort. «Das ist Bergmann, der Kirchendiener, es gibt hier nur noch den einen. Er ist wirklich ein armer Kerl, man sollte ihn nicht foppen. Ständig will er für Ordnung und fromme Andacht sorgen, und kein Mensch hört auf ihn.»
Theda war noch mit einer anderen Frage beschäftigt: «Jesus hatte einen Hund? Und das steht bei Matthäus? Ich kann mich gar nicht erinnern …»
«Papperlapapp, was weiß ich? Wer hat so ’n dickes Buch wie die Bibel schon von vorn bis hinten gelesen? Jeder gute Hirte hat doch einen Hund, besser zwei oder drei. Und er war unser guter Hirte, unser Herr Jesus, der allerbeste, oder? Man soll da nicht kleinlich sein, finde ich. Der Alte lässt Euch nun in Ruhe, was wollt Ihr noch?»
Zum ersten Mal seit Tagen – vielleicht sogar seit Wochen? – lachte Theda. Es war ein warmes Lachen, voller Sympathie für dieses freche Mädchen, voller Bewunderung für dessen Findigkeit.
«Ich weiß schon, was Ihr noch wollt», fuhr das Mädchen fort und zog die verblüffte Theda am Ärmel ein paar Schritte mit sich. Der Händler, der noch mit der Gelegenheit gerechnet hatte, einer dummen Frau einen billigen Preis für ein gutes Stück zu bezahlen, blickte ihr mit verhaltenem Grimm nach. Dann wandte er sich neuer Kundschaft zu. Er kannte Elsi schon lange, sie glich immer mehr ihrer verschwundenen Mutter, das stimmte ihn milde. Die Posse mit dem Kirchendiener hatte ihn amüsiert, sollte sie nur das gute Geschäft machen. Es war Weihnachten, Zeit für ein bisschen Großzügigkeit. Im Übrigen ließ das nächste lebensfremde Weib in Geldnot gewiss nicht lange auf sich warten, im Dezember gab es besonders viele.
Erst viele Tage später fragte Theda sich, warum sie diesem fremden Mädchen vertraut hatte, obwohl es ihr nicht gerade als Muster an Tugendhaftigkeit dienen konnte. Sie war nicht so vermessen zu glauben, sie habe in solchen Angelegenheiten eine besonders gute Nase. Es war einfach passiert. Vielleicht hatte es sie auch beeindruckt, als Elsi ihr streng erklärte, sie dürfe keinesfalls so dumm sein, gute Waren zu billigem Preis herzugeben, das schade nicht nur ihr selbst, sondern auch anderen Händlern, den, nun ja, den redlichen, denn es verderbe die Preise. Vielleicht war sie auch einfach nur froh gewesen, nicht mehr allein zu sein, und wenn das Mädchen
Weitere Kostenlose Bücher