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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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Unglück wieder Glück gehabt, als sie die Anstellung bei Madam Zoller fand. Die hätte eine bessere Bedienstete einstellen können, eine, die neben der Küchenarbeit hübsch zu singen und vorzulesen, Gedichte und Psalmen zu deklamieren verstand. Vielleicht sogar auf Französisch, einer Sprache, die Madam liebte, obwohl sie selbst sie nur äußerst unzulänglich beherrschte. Sogar eine, die sich auf den Umgang mit dem Cembalo verstand, das ungenutzt im Salon verstaubt war.
    Doch sie hatte sich für Theda entschieden, die wenig von den feinen Künsten, aber einen Haushalt zu führen und auf dem Markt zu handeln verstand und auch sonst keine Arbeit scheute. So war Theda von der Ehefrau und jungen Witwe wieder zur Dienstbotin geworden, von der jungen Madam zur Mamsell, trotzdem war auch das ein Glück gewesen.
    Ja, Theda war eine durch und durch vernünftige Frau. Nur hin und wieder unterliefen ihr kleine Leichtfertigkeiten, wie im Sommer der Kauf dieser fünf so wunderbar polierten Hornknöpfe. Sie sahen fast wie Schildpatt aus. Oder Unbeherrschtheiten, wie diese irritierenden Tränen am Ende des rührseligen Romans, den Madam Zoller ihr überlassen hatte.
    Einmal in ihrem nun schon drei Jahrzehnte währenden Leben war sie sogar sehr unvernünftig gewesen. Ihr Herz war damals schwach geworden, und es hatte sich nicht ausgezahlt (mit diesem Wort hätte Friedrich es benannt). Es war nur ein Sommersturm gewesen, ein törichter, wunderbarer Sommersturm. Dann hatte Simon angeheuert, sein Schiff war verschollen, untergegangen oder von den Barbaresken aufgebracht. Das hieß es von vielen Schiffen, und kehrten nicht trotzdem einige zurück? So hatte sie gewartet, Jahr um Jahr. Auch das war natürlich töricht gewesen. Es war lange her.
    Der Einfall, der sie vergangene Nacht nicht hatte schlafen lassen, war verwegen. Womöglich flackerte unter aller Vernunft noch eines dieser tückischen Flämmchen, die ein geordnetes sittsames Leben unversehens schlingern lassen.
     
    Theda war trotzdem an diesem Morgen des 18. Dezember anno 1773 mitsamt ihrem Gepäck in den Hausflur hinausgetreten, um sich auf den Weg zur Kutsche zu machen, die Stadt zu verlassen und sich in ihre Zukunft zu fügen.
    Die Tür hatte sich nur widerwillig zuziehen lassen, auch der Schlüssel hatte sich schwerer als gewöhnlich im Schloss gedreht. Sie hatte prüfend die Klinke heruntergedrückt, dann hatte sie den Schlüssel dem Mann gereicht, der wartend neben ihr stand und von nun an über die Wohnungen des Hauses wachte.
    «Tut mir wirklich leid.» Der Hauswart hatte die Fäuste mitsamt dem Schlüssel in die ausgebeulten Rocktaschen geschoben. «So kurz vor Weihnachten. Wenn’s nach Madam Zoller gegangen wäre – aber ihr Ältester war schon immer ein ruppiger Kerl. Soll ich wirklich keinen Träger rufen? Bis zur Hohen Brücke – das ist kein Katzensprung, und die Taschen sind viel zu schwer für so ’ne zarte Person. Dazu ohne Handschuhe», er hatte missbilligend schnalzend die Lippen gespitzt, «so ’n Muff mit Kaninchenfell ist hübsch, aber nur für Damen, die ihre Hände nicht gebrauchen. Na denn, geht mich ja nichts an, Mamsellchen. Gut, dass Ihr Euer Daunenbett dabeihabt. Im Dezember in der Kutsche bis Ostfriesland – das wird ungemütlich, wahrhaft ungemütlich.»
    An seine Hutkrempe tippend, war er die Treppe hinuntergestapft, die Schultern hochgezogen, als schütze er sich schon vor dem vom Fleet herüberwehenden Dezemberwind. Unwillkürlich hatte auch Theda die Schultern gehoben, als sie seinen Schritten nachlauschte, und sich verboten zu seufzen. Dabei hätte sie sehr gerne geseufzt, sie hätte allen Grund dazu gehabt, genau betrachtet sogar für eine ganze Reihe von Seufzern.
    Die größte Angst vor der Rückkehr hatte sie erst in der vergangenen Nacht gespürt, zum ersten Mal einen Anflug von Verzweiflung, weil es ihr in der kurzen Spanne Zeit nicht gelungen war, ein neues Leben zu finden. Ein neues Leben. Das hörte sich groß an, für eine einfache Person wie Theda Harling geradezu pompös. Tatsächlich bedeutete es nur eine neue Anstellung, wahrscheinlich eine erheblich weniger angenehme als die bei Madam Zoller. Aber es wäre der Ausweg.
    Entschlossen hatte sie den Mantelumhang zurückgeschlagen, ein Abschiedsgeschenk ihrer großzügigen Dienstherrin, für das sie zutiefst dankbar war. Er war nur wenig getragen, aus dem soliden, warm gefütterten Tuch stieg leichter Bergamottgeruch auf. Theda hoffte, der Duft werde sie noch lange an

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