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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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hatte, war es doch furchtbar kalt im Dom. Später, wenn die Türen geschlossen und die Gänge zwischen den Ständen voller Menschen waren, wenn überall Kerzen und Laternen brannten, würde es wärmer werden.
    Während Elsie begann, leise, aber nicht zu leise vor sich hin zu trällern. Sie hob einen Tannen- und einen Stechpalmenzweig aus einem Korb, beides rare Gewächse in dieser Region, und legte sie mit einer Wildrosenranke voller roter Hagebutten gut sichtbar an die Tischkante. Aus einer mit marmoriertem Papier beklebten Schachtel, wie sie in guten Konditoreien zur Verpackung der teureren Sorten Konfekt benutzt wurden, nahm sie rote und blaue Seidenbänder und den aus fast neuem Golddraht gefertigten Stern und drapierte sie genau so auf den Zweigen, wie sie es in der Auslage des Juweliers am Jungfernstieg gesehen hatte.
    Es sah wunderbar aus, feierlich und vornehm. Und einladend. Triumphierend drehte sie sich zu der ihrem Stand genau gegenüberstehenden Bude um. Sie hatte sich sehr bemüht, den Platz daneben zu ergattern, da war nichts zu machen gewesen. Wenn sie es nun besah und recht bedachte, war es so viel besser. Meistens blicken die Menschen doch geradeaus, nicht zur Seite. Außerdem war der Stand, der sie so brennend interessierte, in einer gezimmerten Bude untergebracht, was links und rechts geschah, sah man von dort nicht.
    Auf dem Verkaufstisch standen akkurat aufgereiht niedrige Kästen voller Tüten in verschiedener Größe, alle gut leserlich beschriftet. Neben einer kleinen Waage wartete das Behältnis für die Gewichte und Messlöffel, zumeist für kleinere Mengen. Nicht gerade wie in der Apotheke, aber beinahe, jedenfalls feinere als beim Metzger oder Grünhöker. An der Rückwand der Bude waren Regale für ganze Reihen von Holzkästen aufgebaut, auch ein Schrank mit flachen Schubladen war vom Garten beim Gänsemarkt hertransportiert worden, unter dem Tisch warteten Vorräte in etlichen Körben.
    Ein Mann und ein Junge waren am Tisch damit beschäftigt, ihre Ware abzuwiegen und in weitere Tüten zu füllen. Der Junge wog, der Mann notierte auf den Tüten den Inhalt. Den Jungen kannte Elsi nicht, sie wäre jetzt gerne an seiner Stelle gewesen. Der Mann, übrigens ein noch sehr junger Mann, sicher kaum über zwanzig Jahre, obwohl seine Augen, seine ganze Miene die eines älteren Menschen zu sein schienen, war der Samenhändler von den Malthus’schen Gärten. Es gab viele Gärtner vor den Toren der für ihre reichen Gartenanlagen berühmten Stadt. Malthus war der bedeutendste, seine Geschäfte gingen bis nach England und Frankreich, nach Preußen sowieso. Ihm gehörte auch der große Garten zwischen Binnenalster und Gänsemarkt, der letzte mitten in der Stadt; es stand jedem offen, darin herumzugehen und die Vielfalt der Bäume und Büsche, Blumen und Stauden wie in einer Ausstellung zu beschauen. Und zu kaufen, das natürlich auch. Der Garten war ein Labsal für Augen und Seele und weithin berühmt, fremde Reisende versäumten selten einen Besuch, egal zu welcher Jahreszeit.
    Dort wurden auch Samen für Blumen und Gemüse verkauft, wenn sie bis in den frühen Winter hinein endlich geerntet, gesammelt und getrocknet worden waren. Darüber hatte Elias Malthus lange selbst gewacht, bis er zum allgemeinen Erstaunen den jungen Anders Gödeke für diese Arbeiten anstellte. Es wurde weniger gestaunt, dass er sich keinen erfahrenen Gärtner gesucht hatte, etliche wären dankbar, die harte Arbeit bei Wind und Wetter mit der leichteren im Samenhandel zu tauschen, und einige, vielleicht sogar die meisten, konnten auch das Nötige lesen und schreiben. Aber Malthus hatte diesen jungen Mann angestellt, der Bauer gewesen war, bis die große Flut vor zweieinhalb Jahren sein Land geraubt und der vergebliche Kampf um die Rettung des Landes ihn den linken Arm gekostet hatte.
    Wenn auch jeder in der Stadt und in den südöstlich liegenden Vier- und Marschlanden die Geschichte gehört hatte, hatten die meisten sie schon vergessen. Elsi hatte sie erst in diesem Herbst erfahren, besser gesagt: erfragt. Anders war ein Bauer ohne Land, ein Mann mit nur einem Arm, Malthus hielt große Stücke auf ihn. Was wusste sie noch? Er war über die Maßen ernsthaft und blieb meistens für sich, er sprach wenig, nur wenn es um seine Sämereien ging, konnte er wahrhaft beredt werden. Besonders die große Zahl der Gemüsesorten liebte er, darüber wusste er viel mehr, als man von einem jungen Bauern annehmen konnte. Vor allem aber hatte

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