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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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besten bis an die Wand, damit die darauf aufgebauten Gaben keinen Schaden nahmen oder – schlimmer noch – die brennenden Wachslichter umfielen, wenn die Kinder vor Freude über ihre Geschenke herumhüpften. Am hinteren Rand in der Mitte des Tisches stand natürlich die Weihnachtspyramide. In reichen Häusern sollte es welche geben, die überragten mit sechs oder sieben Fuß Höhe auch das größte Familienmitglied. Sie würde eine ganz normale Pyramide wählen, höchstens drei Fuß hoch und recht schlank. Das Gerüst aus vier Stäben und die Zwischenräume waren mit Tannenzweigen und was sich sonst an Grünem fand bedeckt, alles festlich geschmückt, um den Fuß ein Kreis von roten Äpfeln, Mandeln und Walnüssen.
    In einigen waldreichen Gegenden weiter im Süden, so hieß es, holte man neuerdings stattdessen eine extra zu diesem Zwecke geschlagene Tanne ins Haus, steckte Wachslichter auf die Zweige und behängte sie auch mit Zuckerwerk, Äpfeln, Nüssen und weihnachtlichem Schmuck. Das erschien ihr kurios, aber sicher duftete so ein Baum in der Wärme des Zimmers wunderbar.
    Je einen Zinnleuchter würde sie in jedes der vorderen Fenster stellen, um die Christfestfreude auch hinaus in die Dunkelheit und zu den Einsamen und Obdachlosen zu schicken. Und zu den geliebten Toten.
    Ihr Blick wanderte zurück zum Tisch. Seine Größe war für die Geschenke gerade recht. Für jeden nur eines, für die Kinder wohl doch zwei, ein Spielzeug und dazu etwas Nützliches. Für die Mädchen eine Schürze mit einer Hohlsaumborte und …
    Ein furchtbares Poltern ließ Theda zusammenfahren und holte sie aus ihrem Tagtraum zurück in die Realität. Dies war nicht ihre Wohnung, sie hatte keine Familie, erwartete keine Gäste, sie war selbst ein Gast, ein heimlicher und sicher unerwünschter. Wieder lärmte es im Treppenhaus, als kullere etwas Sperriges die Treppe herunter, es landete mit einem letzten Rums direkt vor der Tür, hinter der sie mit angehaltenem Atem lauschte. Nun fluchte jemand, nicht gerade unflätig, aber ziemlich grob.
    Behutsam öffnete sie die Tür einen Spalt, womöglich hatte sich jemand verletzt und brauchte Hilfe. Aber die Nachbarin aus dem zweiten Stock, die junge Madam Lindner, stand unversehrt im Flur, wenn auch mit zorniger Miene, und starrte auf überall verstreut liegende Holzstücke hinunter. Ein Weidenkorb lag irgendwo dazwischen, mit nur noch einem Griff.
    «Habe ich Euch erschreckt, Mamsell Theda? Der blöde Korb. Der Griff hätte so freundlich sein können, erst oben in der Küche aufzugeben, oder? Immerhin ist der Korb sonst heil geblieben, es könnte also schlimmer sein.» Sie raffte ihre Röcke und begann, das verstreute Feuerholz einzusammeln und wieder in den Korb zu werfen, auch Theda bückte sich, um zu helfen. Aber dann richtete sie sich auf, drehte ein besonders schönes Stück Buchenholz in den Händen, als wäge sie ab, wie heiß und wie lange es brennen werde. «Es ist gut, dass ich Euch treffe, Madam», erklärte sie dann, Hast und Anspannung in der Stimme. «Ich muss …»
    «Nennt mich einfach Gesine», unterbrach die Nachbarin und schubste mit dem Fuß die letzten Stücke zusammen. «Das ist einfacher, ich nenne Euch ja auch mit dem Vornamen. Ich weiß nicht mal Euren Familiennamen, wirklich schändlich von mir. Madam Reimann hat nur von Mamsell Theda gesprochen, als sie Euch ankündigte. Sonst haben wir hier unten nach dem Rechten gesehen, wenn die Reimanns verreist waren.»
    Theda nickte. «Ich wollte Euch sagen – nur damit Ihr Euch nicht wundert, ja, ich wollte sagen, dass ich einige Tage hier wohnen werde. Ich meine, ich werde nicht nur alle zwei Tage kommen, sondern, ja, ich werde hier wohnen. Nur in der Mädchenkammer. Madam Zoller ist schon abgereist, aber ich soll auf die Wohnung achten, bis die Reimanns zurückkommen. Es war auch kein Platz mehr in der Kutsche. Nach Aurich, meine ich, ich kehre nämlich nach Aurich zurück. Ja, das werde ich. Wenn ich Euch dann den Schlüssel geben dürfte, wenn ich abreise.» Sie verstummte unter dem plötzlich aufmerksamen Blick der Nachbarin, ihr Herz klopfte bis zum Hals. Jetzt war sie ertappt.
    «Nun», sagte Gesine Lindner, «das ist Pech für Euch, Glück für die Reimanns. Wenigstens haben sie den besten Kachelofen im Haus, Ihr werdet es warm haben. Heizt nur tüchtig ein. Wenn Ihr etwas braucht oder Euch allein fürchtet, habt keine Scheu, bei uns zu klopfen. Ihr kennt ja den Weg.» Dann hob sie ihren Korb mit einem Schwung auf

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