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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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er die schönsten Augen, die Elsi je gesehen hatte. Ach, die schönsten und die traurigsten.
    «Na, Mädchen, guckst du dir unsern Einarmigen an?»
    Elsi spürte einen unsanften, aber freundschaftlichen Stoß mit dem Ellbogen in ihrer Seite. Mieke, die Buchbinderin vom Stand am Durchgang zum Hauptschiff, gleich neben dem Mann, der Zahnpulver und Augentropfen verkaufte und auch Scherenschnittporträts fertigte, machte sich nicht die Mühe, die Stimme zu senken. Weil aber in diesem Moment drei Posaunenbläser mit dem schönen alten Adventslied «Macht hoch die Tür, die Tor macht weit» begannen, hörte sie niemand als Elsi.
    «Es ist eine Schande, so ’n hübscher Junge, kräftig auch und schlau, jedenfalls nach allem, was man hört. Wer hätte das von so einem gedacht? Der liest jetzt dicke Bücher über Gemüse und Anbau und solche Sachen. Eines habe ich selbst für Malthus gebunden. War gar nicht dumm, den Anders einzustellen, gar nicht dumm. Der muss dem Malthus ja ewig dankbar sein. Leicht wird ’s Leben für ihn trotzdem nicht. Jetzt hat er Arbeit, aber wer weiß, ob er die morgen noch hat. Sogar zum Wägen braucht er Hilfe, oder?» Sie schüttelte bedauernd den Kopf. «Vor allem braucht so einer ’ne tüchtige Frau, sonst geht’s bald bergab. Aber welche Frau, die nur halb bei Sinnen ist, nimmt einen mit nur einem Arm, wenn er dafür nicht säckeweise Gold im Speicher hat? So, ich muss weiter. Hübsch, euer Stand in diesem Jahr, Elsi, wirklich hübsch. Pass bloß auf den Engel auf, wenn der runterfällt, zerspringt er in tausend Stücke. Wär’ ein ganz schlechtes Omen.»
    Sie tätschelte Elsis Wange und schob sich weiter durch das Gerümpel, das immer noch den Gang eng machte. Zum Glück hatte sie nicht gesehen, dass Elsi bis tief in ihr ungewohnt züchtiges Dekolleté errötet war. Niemand hatte es gesehen, auch Anders nicht, der nur drei Schritte weit entfernt den Kopf über seine Listen und Tüten beugte. Drei Schritte? Meilenweit.
    Sie musste endlich diese lächerliche Schüchternheit, die sonst ganz und gar nicht ihre Art war, abschütteln. Schließlich war er nur ein Bauer ohne Land, dazu ein Krüppel, so versuchte sie wenigstens in Gedanken grob zu sein. Es nützte nichts.
    Sicher fand er sie hässlich und viel zu dünn, und sicher hatte er gehört, was über sie geredet wurde, dummerweise zu Recht geredet wurde, obwohl sie längst beschlossen hatte, sich zu bessern. Warum auch immer, er sah sie einfach nicht.
    Hätte sie jetzt noch einmal zurückgesehen, hätte sie erkannt, dass sie sich – womöglich – irrte.

      
    ls Theda alle Zimmer inspiziert hatte, fast verstohlen, mit sehr leisen Schritten, legte sie noch ein Stück Torf auf das Küchenfeuer und betrachtete die kleinen Flammen, die hungrig daran hochzüngelten. Zum ersten Mal, so lange sie zurückdenken konnte, hatte sie keine Pflichten bei den Vorbereitungen des Weihnachtsfestes, bei all dem Backen und Kochen, Nähen, Sticken und Stricken für die kleinen Halbgeschwister. Sie erinnerte sich gut, wie erschöpft sie oft gewesen war, wie die Müdigkeit dieser Tage die Vorfreude auf das Fest der Geburt Christi erstickt hatte. Aber eigentlich – ja, eigentlich waren just diese Wochen sehr schön gewesen.
    Und wie schön musste es erst sein, in einer Wohnung auch nur halbwegs wohlhabender Bürger das Fest vorzubereiten. Sie schob den Torf tiefer in die Glut, schnupperte, als dufte es schon nach Zimt und Kardamom, Zitronenschale und Karamell, seufzte wohlig und überlegte.
    Das Silber musste zum Weihnachtsfest natürlich besonders gründlich geputzt sein, das gute Geschirr, die guten Gläser – alles blitzblank, das Leinentuch für den Esstisch makellos. Ach, und die Speisen. Am Heiligen Abend nur eine Suppe, Butterbrote, zum Nachtisch Apfelküchlein. Aber dann, am 25. Dezember, nach dem feierlichen Gottesdienst – nie klangen die Orgel und die Stimmen von Chor und Gemeinde fröhlicher – das große Menü, mindestens sechs Gänge, einer unbedingt Karpfen mit Ingwer und Muskatblume. Am nächsten Tag die Verwandtenbesuche, das musste sein, obwohl alle lieber zu Hause blieben, besonders die Kinder, die mit ihren neuen Schätzen spielen wollten. Und dann?

     
    Sie ging in den Salon, eilig, ohne auf den Klang ihrer Schritte zu achten, und sah sich noch einmal sinnend um.
    An Türen und Fenstern rote Bänder und grüne Zweige; das sah feierlich aus, auch ein großer Stern aus gelbem Papier. Der Tisch musste zur Seite gerückt werden, am

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