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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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die rechte Schulter und balancierte ihn rasch, als sei die Last nicht im Mindesten schwer, die Treppe hinauf.
    Wieder in der Wohnung, schloss Theda für einen Moment vor Erleichterung die Augen. Das Herzklopfen war völlig überflüssig gewesen. Sie wohnte nun hier, sie bewachte die Wohnung, daran war nichts Besonderes. Niemand, der sich auf Reisen begab, ließ sein Domizil gern unbewacht, selbst wenn es keine Reichtümer barg. Es gab genug Menschen in der Stadt, viel mehr als genug, für die ein Hemd und ein alter Topf Grund genug für einen Einbruch waren.
    Anders als die meisten Häuser in der Großen Reichenstraße ließen diese in der Mattentwiete nur wenige wohlhabende Bewohner vermuten. Das verriet schon der Name. Twiete bedeutete eine Gasse zwischen zwei breiten Straßen, überwiegend schmale Häuser mit engen Treppen und kleineren Wohnungen. Gleichwohl war diese, nahe dem Hafen, den großen Speichern und etlichen florierenden Handelshäusern, in den Vorderhäusern ein bürgerliches Quartier. Sonst würden hier kaum Freunde Madam Zollers leben.
    Gustav Reimann war Privatier und von ausgeprägter Behäbigkeit. Diese Herumkutschiererei, die nach seiner Meinung neuerdings à la mode war, hielt er für so überflüssig wie kostspielig, zudem der Gesundheit abträglich. Seine Gattin hatte jedoch darauf bestanden, auch in diesem Jahr den Dezember und die erste Januarwoche auf dem holsteinischen Landgut ihrer Schwester zu verbringen, wegen der größeren Bequemlichkeit, des famosen Vorrats an fetten Gänsen, Schinken und Madeira, wegen der vornehmen anderen Gäste und nicht zuletzt wegen der guten Bedienung. Superb, wie Madam Reimann bei ihrem letzten Besuch Madam Zoller immer wieder versichert hatte, superb, dennoch gehe nichts über die eigenen Domestiken, ihr Mädchen nehme sie immer mit. Gewiss könne Mamsell Theda nach ihrer Wohnung sehen? Nicht an jedem Tag, beileibe nicht, nur an jedem zweiten. Sonst komme noch jemand auf die Idee, einzubrechen oder sich gar häuslich einzurichten. Man höre da von Unverschämtheiten obdachloser Taugenichtse – wirklich schändlich!
    Wieder ein Glück für Theda. Im Durcheinander der Abreise hatte sie vergessen, den Schlüssel wie vereinbart bei den Nachbarn abzugeben. Das war nur ein Versehen gewesen, aber ein segensreiches.
    Seit sie gestern angekommen war, hatte sie sich eingerichtet. Sie hatte der Verlockung widerstanden, den Kachelofen anzuzünden – es dauerte ohnedies viel zu lange, bis er wärmte –, und wohnte nun in der hinter der Küche liegenden Kammer. Tatsächlich war die nur eine fensterlose Abseite, nicht vergleichbar mit ihrer manierlichen Stube bei Madam Zoller. Immerhin lag die Küche, anders als die vieler großer Häuser, nicht im Souterrain, wo es so nah an Elbe und Hafen immer feucht war. Sie hatte es wirklich gut getroffen, wieder einmal. Das Küchenfeuer hielt sie warm, sie musste nicht hungern, im Hof gab es sogar eine Pumpe mit reinem Wasser.
    Das hörte sich gut an, warum war ihr dann so zitterig? Warum saß sie auf der Stuhlkante, die Hände ineinander verknotet, die Schultern fast bis zu den Ohren hochgezogen?
    Theda atmete heftig aus, machte den Rücken gerade und entschied, das hier habe sie sich selbst eingebrockt, es war ein Abenteuer, davon gab es nicht viele in ihrem Leben, also würde sie es aushalten. Und draußen in der Stadt, in dieser Welt ohne Geländer und sicheren Weg – nun, das konnte warten, immer ein Schritt nach dem anderen. Morgen war auch ein Tag.
    Freiheit war ein schönes Wort und musste ein schöner Zustand sein. Leider hatte Theda nicht bedacht, dass man dazu wissen musste, was Freiheit bedeutete und sein konnte. Und wer man selbst war. Wer war sie bisher gewesen? Tochter, Stieftochter, Ehefrau, Witwe, Madam Zollers Mamsell. Und nun? Nur noch Theda Harling. Und war die eine Betrügerin? Eine Diebin? War es Diebstahl, wenn man sich in einer Wohnung einquartierte, die man nur mit regelmäßigen kurzen Visiten vor Einbrechern schützen sollte? Sie könnte ein wenig Geld für das verbrauchte Feuerholz zurücklassen. Andererseits war es das letzte selbstverdiente Geld, mit dem sie tun konnte, was ihr beliebte. Zum letzten Mal.
    Da kam Theda die rettende Idee, eine sehr weibliche Idee. Sie wollte die Wohnung putzen. Weniger zur Befriedigung der Reimanns als zu ihrer eigenen Beruhigung, denn Arbeit war immer eine gute Währung. Ihr Körper, bis dahin gespannt wie eine Bogensehne, wurde wieder weich. Sie setzte sich

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