Drei Wunder (German Edition)
Applaus endete, erinnerte sich Olivia daran, wieder zu atmen.
»Danke fürs Zuhören«, rief Graham schwer atmend ins Mikro, als die begeisterten Rufe und Pfiffe schließlich wieder verstummt waren. »Wir machen eine kleine Pause, aber wir sind zum Countdown wieder zurück, also haut nicht ab, ja?«
Die Menge antwortete begeistert, während Graham das Mikro in ihre Richtung hielt, bevor er es in Rockstar-Manier auf den Boden fallen ließ.
Der Skater-und-Drummer-Boy hob zum Gruß seine drahtigen Arme über den Kopf. Sein Shirt wurde dabei aus dem abgerissenen Ledergürtel gezogen, nur ein paar Zentimeter, gerade so viel, um ein Stück seiner Taille zu enthüllen, die Umrisse eines Muskels an der Hüfte. Olivia merkte, wie ihr im Nacken ganz heiß wurde, und fürchtete, dass sie tatsächlich schwitzte.
»Und?« Bowie war wieder an Olivias Seite aufgetaucht und zog ihren Pulli aus. Sie enthüllte ein eng anliegendes schwarzes Top. »Was meinst du?«
»Weißt du, wo das Badezimmer ist?«, stellte Olivia eine Gegenfrage. Ihr war leicht schwindelig. Ihr Herz klopfte viel zu schnell, und auf einmal hatte sie einen Kloß im Hals. Bowie deutete auf eine kleine Schlange, die sich in der Nähe einer Vitrine voller teuer aussehendem Porzellan gebildet hatte. Olivia bahnte sich ihren Weg durch die Menge. Sobald sie eine Gruppe am Kamin, die eine Runde Shots wegkippte, passiert hatte, blieb sie abrupt stehen. Da war er, er stand am Ende der Schlange.
Es war zu spät, umzukehren. Sie holte tief Luft und stellte sich neben ihn. Aus der Nähe war er gar nicht so groß, wie sie gedacht hatte. Als sie ihm von der Seite Blicke zuwarf, entdeckte sie an seinem Kinn eine winzige Narbe, leicht verborgen unter einem dünnen Dreitagebart. Olivias Herz klopfte, und ihre Hände verkrampften sich.
»Ist das die Schlange fürs Badezimmer?«, fragte sie und bereute es sofort.
Nein, wir stehen immer grundlos so aufgereiht in der Gegend herum. Willkommen in Kalifornien!
Er drehte sich zu ihr, sein volles Haar fiel ihm in die meergrünen Augen. »Jup.« Er nickte mit einem Lächeln und schob sein Haar zurück, um Olivia besser sehen zu können. Seine Zähne waren niedlich schief.
»Cool«, sagte sie.
Cool! Sie schaute auf den Boden, ob sich nicht eine Falltüre für sie öffnen wollte, und hoffte, dass wenigstens irgendwo ein kleiner Streit ausbräche. Irgendetwas, um sie davon abzuhalten, noch mehr bescheuerte Bemerkungen von sich zu geben.
»Ich hab dich schon öfter gesehen«, sagte er. »Auf dem Schulhof, oder?«
Und jetzt … hielt er sie auch noch für eine Stalkerin. Sie war gerade mal eine Woche an der Golden Gate und war bereits das Mädchen, das overdressed zu einer Party erschien, zu lange hinsah und sich zu viel Mühe gab.
Olivia schluckte, nickte und zermarterte sich das Hirn nach einer Antwort, die nicht völlig daneben war.
»Ich bin Soren«, fuhr er fort und streckte die Hand aus. »Wie heißt du?«
»Olivia«, antwortete sie und ergriff seine Hand. Sie war warm, leicht verschwitzt und hatte einen festen Druck. »Ich bin neu in der Stadt.«
»Ja, das habe ich auch schon gemerkt«, scherzte Soren, und nach einem weiteren niedlichen Grinsen flüsterte er: »Willkommen in der Hippie High.«
Olivia nahm ihren ganzen Mut zusammen, um ihm noch einen verstohlenen Blick zuzuwerfen. Wobei sie merkte, dass er sie ansah. Und nicht auf eine Art und Weise, die ihr das Gefühl gab, verrückt zu sein oder vielleicht etwas zwischen den Zähnen zu haben. Er sah sie richtig an. Als hätte sie seine Aufmerksamkeit erregt, und als wüsste er nicht genau, warum, oder wie er unauffällig wieder wegsehen könnte. Als wüsste er nicht, was er sagen sollte, aber nicht aus mangelndem Interesse, sondern weil er vielleicht selbst nervös war?
Die Badezimmertür ging auf, Graham kam heraus, und gab Soren im Vorbeigehen einen kumpelhaften Schlag auf den Rücken.
»Ich sollte …« Soren wies zum Badezimmer und Olivia nickte eifrig.
»Klar doch«, sagte sie und bedeutete ihm, hineinzugehen. »Viel Erfolg!«
Er lächelte sein süßes, schiefes Grinsen und schloss die Tür hinter sich.
Olivia lehnte sich auf der anderen Seite gegen die Wand. Erst viel später wurde ihr klar, dass es so geklungen hatte, als hätte sie ihm viel Erfolg auf der Toilette gewünscht.
Als Soren wieder herauskam und sich beeilte, zurück auf die Bühne zu kommen, hatte Graham bereits das Mikro in der Hand und forderte die Gäste auf, ruhig zu sein.
»Also, da die
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