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Drei Wunder (German Edition)

Drei Wunder (German Edition)

Titel: Drei Wunder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Bullen
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kam ihr vor, als gleite sie, als bewegten sich ihre Füße einige Zentimeter oberhalb der schiefen Bodenbretter. Es war, als ob der Rest der Welt verschwunden wäre und alles, was sie sehen konnte, war ihre Schwester, ihre wunderschöne Schwester mit der milchweißen Haut und den Sommersprossen, die auf sie wartete.
    »So heiße ich!«, sagte Violet, sprang vom Fensterbrett und öffnete beide Arme ganz weit.
    Olivia stand wie erstarrt in der Mitte des Zimmers, die Arme schwer wie Zement an ihren Seiten.
    Violet machte noch einen Schritt auf sie zu und wedelte mit einer Hand vor dem ausdruckslosen Gesicht ihrer Schwester.
    »Hallo?«, rief sie, und ihre blassblauen Augen funkelten, als sie ihre Schwester leicht am Ellbogen schüttelte. »Bekomme ich vielleicht eine Umarmung, bitte?«
    Olivia schluckte. »Was … aber …«, stotterte sie. »Ich … ich verstehe das nicht.«
    Violet stieß einen ungeduldigen Seufzer aus und zog ihre Schwester an sich. »Ganz einfach: Ich umarme dich. Du umarmst mich. Verstanden?«
    Olivias Augen brannten, und sie merkte, wie sie sich langsam in die Arme ihrer Schwester schmiegte, ihr Gesicht in Violets wunderbarer Lockenpracht vergrub.
    Meeressalz und Erdbeer-Kiwi-Shampoo.
    »Du bist es«, flüsterte Olivia an Violets Halsbeuge. »Du bist es wirklich?«
    »Das letzte Mal, als ich es überprüft habe, gab es nur zwei von uns«, lachte Violet, schob Olivia zurück und sortierte die ineinander verschlungenen Strähnen ihrer vollkommen identischen rotblonden Locken auseinander.
    »Aber wie …«, fing Olivia an und schüttelte den Kopf. »Ich meine, du bist …«
    Violet nahm einen übertrieben langen Zug von ihrer Zigarette, bevor sie die Asche nach draußen schnippte.
    »Du rauchst nicht«, erklärte Olivia. »Ich meine, du hast nie …«
    »Einer der Vorteile.« Violet lächelte und wedelte mit dem glimmenden Zigarettenstummel vor ihrem Gesicht herum. »Zigaretten können dich nicht umbringen, wenn du bereits tot bist.«
    Olivia folgte ihr langsam zum Fenster. »Also bist du …«, stotterte sie. »Ich meine, du bist immer noch …«
    »Mausetot, leider.« Violet nickte und nahm noch einen Zug von der Zigarette.
    Olivia sah zurück durch die offene Tür zu den Umrissen ihres Bettes; die Bettdecke in einem wirren Haufen auf einer Seite. Dann blickte sie ihre Schwester lange und durchdringend an, bevor sie den Kopf schüttelte, sich umdrehte und zurück in ihr Zimmer marschierte.
    Mit einem Seufzer setzte sie sich auf ihr Bett und ließ sich rückwärts in die Kissen fallen. Dann zog sie die Decke nach oben, bis über ihr Gesicht. Es musste ein Traum sein.
    Olivia holte noch einmal tief Luft, bevor sie den weichen Stoff noch weiter über sich zog und dann mit einem Ruck die Bettdecke zurückwarf.
    »Ta-da!«, rief Violet neben dem Kopfende ihres Bettes. »Immer noch da.«
    Olivia zog die Beine an und rutschte im Bett nach oben, bis sie sich an die Wand lehnen konnte. »Okay«, sagte sie, und ihre Stimme war ruhig und vernünftig. »Okay, also du bist …«
    »Tot«, sagte Violet geradeheraus und setzte sich im Schneidersitz neben ihre Schwester. »Ich bin tot, O. Es macht mich auch nicht toter, wenn du es aussprichst.«
    »Okay«, sagte Olivia. »Entschuldige. Du bist tot. Aber trotzdem …«
    Violet lächelte, die Zigarette im Mundwinkel.
    »Bist du wirklich hier?«, fragte Olivia leise.
    Violet nahm den Zigarettenstummel aus dem Mund und schnippte ihn quer durch das Zimmer aus dem offenen Fenster.
    »Entweder das«, sagte sie und legte sanft eine Hand auf Olivias zitternde Knie, »oder du hast einen ganz unglaublichen Kater.«

8
    »Natürlich mussten sie warten, bis ich tot bin, um so was zu machen.« Violet und Olivia saßen auf dem Balkon vor Olivias Zimmer, die Knie eng unter ihre Shirts gezogen, um sich in der kühlen Luft der Morgendämmerung warm zu halten. Auf der anderen Seite der Straße lag der Dolores Park im Halbschatten, die hohen Bäume bildeten eine gezackte Silhouette gegen den sich hebenden Vorhang der Nacht.
    »Wie was?«, fragte Olivia. Das Pochen in ihrem Kopf hatte nachgelassen und war schnell von einem Wirrwarr an verschwommenen Erinnerungen und panischen Fragen abgelöst worden.
    Zum Beispiel: War es möglich, dass einer ihrer Drinks gestern Abend mit irgendeiner Halluzinationen hervorrufenden Droge versetzt worden war?
    »Wie das hier!« Violet streckte die Arme weit aus und deutete auf die Skyline der Stadt. Von hier oben sahen die Reihen von pastellfarbenen

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