Drei Wunder (German Edition)
Küche umherschweifen, in ihrem Magen breitete sich ein ungutes Gefühl aus. Selbst zu Hause hatte sie sich bei Partys nie hundertprozentig wohl gefühlt. Sie wusste nie, was sie tun oder sagen oder welches Gesicht sie machen sollte, damit es aussah, als amüsiere sie sich. Doch Violet war immer da gewesen, um einen Platz für sie freizuhalten oder ihr ein Getränk zu bringen.
Nach dem Sommer hatte Olivia aufgehört wegzugehen. Und als die Schule im Herbst wieder anfing, hatten ihre Freundinnen und Freunde versucht, sie wieder mit einzubeziehen, sie an den Freitagabenden angerufen, damit sie mit ihnen in Morgan Jennings Keller abhing, wenn seine Eltern nicht da waren. Doch nach einer Weile hatten sie es aufgegeben. Was für Olivia nur das bestätigte, was sie die ganze Zeit befürchtet hatte: Es waren eigentlich gar nicht ihre gemeinsamen Freunde gewesen. Es waren Violets Freunde. Und jetzt war Violet nicht mehr da.
»Hier«, sagte Bowie und reichte Olivia ein Glas Bier. »Komm, wir müssen dieses arme Mädchen vor Miles retten. Er verwandelt sich bei solchen Anlässen in einen Öko-Kreuzritter. Das ist gar nicht gut.«
Bowie schlängelte sich durch eine Gruppe von Mädchen in der Nähe der riesigen Spüle, die für ein Restaurant ausgereicht hätte, und trat zu Miles und dem Mädchen, das er neben der Anrichte in die Ecke gedrängt hatte.
»Gehen wir, du Langweiler«, murmelte Bowie, hakte sich bei Miles ein und zog ihn durch einen hohen Flur, während sie Olivia das Zeichen gab, ihnen zu folgen. »Hier geht’s zur Musik.«
Sie passierten einen scheinbar endlosen schmalen Flur, das durchdringende Dröhnen einer Bassgitarre führte sie zu einem tiefer liegenden Wohnzimmer auf der anderen Seite des Hauses. Der Raum war völlig leer, bis auf die Topfpflanzen in Baumhöhe, die rechts und links von einem gemauerten Kamin standen. Vor der Fensterfront, durch die man die Lichter der Golden Gate Bridge im Hintergrund glitzern sehen konnte, spielte eine Band auf einer improvisierten Bühne.
»Die sind super«, sagte Bowie. »Das ist Graham, der da singt. Erinnern sie dich nicht irgendwie an Kings of Leon ?«
Olivia sah mit zusammengekniffenen Augen zur Bühne und nickte, auch wenn Bowie ebenso gut eine Fremdsprache hätte sprechen können. Die Musik klang genau wie die jeder anderen Indie-Band, für die Violet sich während der letzten zwei Jahre begeistert hatte. Olivia versuchte, sich an die Fotos zu erinnern, die ihre Schwester von Musikzeitschriften ausgeschnitten und auf ihre Notizblöcke und in ihre Schränke geklebt hatte. Mehr oder weniger war das Rezept für Violets Begeisterung zotteliges Haar, abgewetzte Jeans, verzerrter Gesang und dröhnender Bass.
Grahams Band erfüllte all diese Bedingungen.
Bowie quetschte sich in die Menge, ihre Haarknötchen deuteten mal in die eine, mal in die andere Richtung, ihre Schultern zuckten im Rhythmus auf und ab. Überall um sie herum lachten die Leute, tanzten und prosteten einander mit farbenfrohen Drinks zu. Bowie bedeutete Olivia, ihr zu folgen, doch sie tat lieber so, als sei sie ganz in die Musik vertieft, und starrte konzentriert auf die Band.
Auf der Bühne war Graham, den sie sofort als einen der Szeneleute auf dem Schulhof erkannte, damit beschäftigt, in ein Mikrophon zu singen oder zu kreischen. Sein rotes Haar klebte ihm im Gesicht. Er stand für einen letzten ohrenbetäubenden Schrei auf den Spitzen seiner Turnschuhe, bevor er sich dramatisch auf die Knie fallen ließ und sich zum hinteren Teil der Bühne hin verbeugte, in einer Geste, die entweder aussagte: A) Ich bete zu Mekka, bitte stört mich nicht , oder B) Es ist Zeit für ein Schlagzeugsolo, ich bin völlig fertig .
Und das war der Moment, als Olivia ihn sah.
Dort am Schlagzeug saß der Skater. Sein Gesicht war in einem Ausdruck glückseliger Konzentration leicht gerötet, seine grünen Augen blitzten wie verrückt, während seine aschblonden Locken wild um seinen Kopf flogen. Es war eine beeindruckende Vorstellung, und Olivia verfolgte jedes einzelne Donnern der Basstrommel, jedes Scheppern des Beckens. Sie hatte niemals jemanden gesehen, der so frei und lebendig aussah. Es war wunderschön.
Irgendwo am Rande nahm sie Miles neben sich wahr und hörte, wie er etwas von einem Drink sagte.
Sie wollte nicken, doch wahrscheinlich tat sie es nicht. Erst als das Schlagzeugsolo zu Ende war und Graham noch einen weiteren kreischenden Refrain sang, der mit einem Nachschwingen des Beckens und wildem
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