Drei Wunder (German Edition)
Schweiß auf ihrer Stirn. So sehr sie in den letzten Wochen in Willis gelitten hatte, vermisste sie es jetzt doch. Sie vermisste ihre alte Schule und ihre Freundinnen und Freunde, die langweiligen Partys, die betrunkenen Angeber, und sie vermisste sogar die Mädchen, die oberflächlich und total unecht waren.
Am meisten vermisste sie Violet.
Olivia drängte die Tränen zu spät zurück, und ein paar fielen schwer auf ihr Kleid.
So sollte es nicht sein , dachte sie. Mit Violet wäre das alles nie passiert. Ich will meine Schwester zurück. Ich will meine Schwester. Ich will meine Schwester.
»Ich wünschte, ich hätte meine Schwester zurück«, flüsterte sie laut, das tränennasse Gesicht immer noch in den Händen vergraben.
Es geschah so schnell, dass sie sich später fragte, ob sie es sich nicht nur eingebildet hatte. Doch als sie ihre Augen öffnete, wehte eine heftige Brise durch das geöffnete Fenster herein, und darin flatterte etwas, was auf den ersten Blick wie ein Glühwürmchen aussah.
Es wirbelte im Taxi herum, panisch und verwirrt. Olivia erriet schnell, dass es versuchte hinauszukommen, und öffnete das Fenster ein bisschen weiter. Doch anstatt in die Freiheit zu fliegen, verlangsamte das glühende Insekt sein Flattern und setzte sich sanft auf Olivias Knie, bevor es erneut zum Flug ansetzte und in den nächtlichen Himmel verschwand.
Das Tierchen hatte nur für eine Sekunde still dagesessen, doch es war lange genug gewesen, dass Olivia erkennen konnte, dass es gar kein Glühwürmchen war. Es war zwar genauso winzig und leuchtete sanft, doch seine Flügel waren breit und glitzerten silbern und golden.
Es war ein Schmetterling.
7
Von einem fürchterlichen Durst gepackt, wachte Olivia mitten in der Nacht auf und hatte einen entsetzlichen Geschmack im Mund.
Wasser.
Sie öffnete ein Auge, sammelte Kraft, um ihren schweren Kopf vom Kissen zu heben, und streckte die Hand zu ihrem Nachttisch aus. Sie tastete nach dem Glas mit abgestandenem Leitungswasser und trank mit großen Schlucken, ohne die winzigen Staubpartikel wahrzunehmen, die sich darauf abgesetzt hatten. Dann stützte sie sich auf die Ellbogen und legte die Hände auf den Kopf, um das furchtbare Pochen zu mildern, das bis nach unten in ihre Zehen zu reichen schien. Langsam öffnete sie die Augen, und ihr Blick fiel auf den Boden, auf einen dunklen Haufen neben dem Fußende ihres Bettes.
Das Kleid.
Sie stöhnte laut auf, die Erinnerung an die Ereignisse des letzten Abends überraschten sie wie eine plötzliche Flutwelle. Als sei es nicht schlimm genug gewesen, dass sie sich völlig zum Narren gemacht hatte, in einem Ballkleid bei einer Togaparty aufzutauchen und sich wie eine Stalkerin hinter Soren in die Badezimmerschlange zu stellen, hatte sie dann auch noch Halluzinationen gehabt. Ein leuchtender Schmetterling.
»Bin ich völlig verrückt geworden?«, flüsterte sie.
»Eigentlich schon, aber das ist doch nichts Neues.« Die raue, spöttische Stimme kam direkt aus ihrer Nähe.
Olivia drehte den Kopf und sah zum Kopfende des Bettes, dessen dunkle Umrisse schwach zu erkennen waren, dann hinaus durch die vom Wind leicht gebauschten Vorhänge.
»Hallo?«, rief sie leise in die Dunkelheit und kam sich ziemlich albern vor.
Nichts.
»Na toll«, murrte sie. »Jetzt höre ich auch noch Stimmen.«
»Ach, jetzt komm mal wieder auf den Teppich!« , spottete die Stimme. »Du bist vielleicht verrückt, aber bestimmt nicht schizophren.«
Olivias Herz klopfte schneller. Sie schlug die Decke zurück und ging rasch zur Tür, zog sie auf und streckte den Kopf hinaus. Sie blickte im Flur auf und ab. Er war leer und still. Sie schauderte, schloss die Tür wieder und umfasste fröstelnd ihre Ellbogen.
Niemand.
Ihre Nase zuckte. Was war das für ein Geruch?
Ein dünner Faden von Zigarettenrauch erreichte sie. Olivia blickte nach unten. Das kam aus dem Nebenzimmer! Sie folgte dem sich kräuselnden, rauchenden Pfad an ihrem Bett und am Fenster vorbei, den ganzen Weg zu der schmalen Tür auf der anderen Seite ihres Zimmers. Die Tür war nur einen Spalt offen und ließ einen Strahl blasses, bläuliches Licht auf den Boden fallen.
Olivia holte tief Luft, bevor sie die Tür aufzog und in das leere Zimmer spähte. Dort auf dem Fensterbrett, von hinten erleuchtet durch den unheimlichen Schein des Vollmonds, saß ihre Schwester und rauchte eine Zigarette.
»Violet?«, flüsterte Olivia in die Dunkelheit, trat ins Zimmer und ging langsam zum Fenster. Es
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