Drei Wunder zum Glück (German Edition)
…«
»Aber natürlich.« Rosanna nickte, steckte den Pinsel in eine Dose und band die losen Enden ihres Sweaters um ihre schlanke Taille. Sie kam ein paar Schritte auf Hazel zu. »Das war Billy, mein Mann. Er hat dieses Jahr die Anzeigen wirklich überall aufgehängt. Ich schwöre, ich habe sogar eine beim Tierarzt in der Toilette entdeckt.« Rosanna lachte, ein kurzes, kräftiges Lachen, das ihre Schultern zucken ließ. Eine Strähne ihres dichten seidigen Haars fiel über ihr Kinn.
Hazel versuchte, jede Kleinigkeit aufzunehmen, doch sie schaffte es lediglich zu blinzeln. Sie stand gerade mal zwei Schritte von ihrer leiblichen Mutter entfernt, der Frau, deren Name auf ihrer Geburtsurkunde stand. Der Frau, der sie jeden Abend im Dunkeln eine gute Nacht gewünscht und sich gefragt hatte, was sie wohl gerade tat, sich gefragt hatte, ob sie sich wohl ähnlich sahen.
Sahen sie sich denn ähnlich?, fragte Hazel sich jetzt auch. Würde ihr eigenes Haar, obwohl es heute so fein und eher strähnig war, eines Tages wohl so voll und lang sein? Und obwohl Rosannas Augen dunkler waren und einen Grünton statt Hazels Blau hatten, so war die Form doch gleich, oder? Auf jeden Fall waren sie beide ziemlich groß, auch wenn Hazel sich unbeholfen und schlaksig fühlte, während Rosanna selbstbewusst und stolz dastand.
»Ist das dein erster Sommer auf der Insel?«
Hazel blinzelte und sah den fragenden Blick von Rosanna.
Sie fasste ihre Ellbogen. »Ich … ich lebe eigentlich in Kalifornien …«
Die Worte kamen heraus, noch bevor sie sich entschlossen hatte, sie auszusprechen.
»Genau wie wir!«, rief Rosanna aus und legte eine Hand auf Hazels Schulter. Ihre Berührung war weich und sanft und löste bei Hazel eine Gänsehaut aus. »Na ja, zumindest die Hälfte des Jahres«, fuhr Rosanna fort. »Die Hälfte, in der wir nicht hier sind. Billy unterrichtet Informatik an der Uni von Stanford. Diese Farm hier ist schon seit Generationen im Besitz seiner Familie, und wir kommen jeden Sommer hierher, um sie am Laufen zu halten. Ich bin Malerin …«
Sie schüttelte den Kopf und deutete auf die Bilder. »Das ist ja wohl nicht zu übersehen«, fügte sie lachend hinzu. »Aber ich unterrichte auch. In Marin County, nicht weit von San Francisco.«
Hazel versuchte, keine Miene zu verziehen, doch in ihrem Kopf drehte sich alles. Rosanna unterrichtete in Marin, das erklärte, weshalb sie in San Francisco zur Adoption freigegeben worden war statt in Massachusetts. Ihr Blick wanderte zu Rosannas schlanker Taille. Es war Ende Juni. Wenn Hazel im Dezember auf die Welt kommen sollte, dann musste sie jetzt schon in Rosannas Bauch wachsen. Der Gedanke löste bei Hazel eine Gänsehaut aus, und sie blickte schnell zu all den Gemälden an der Wand.
»Ich habe ein paar Ausstellungen geplant«, sagte Rosanna. Die Pastellfarben von Landschaften und stimmungsvollen Porträts in verschiedenen natürlichen Umgebungen rückten wieder in Hazels Aufmerksamkeit. »Und deshalb bräuchte ich auch Hilfe. Wir haben zwar das ganze Jahr über eine wunderbare Haushälterin, und es gibt viele junge Leute, die auf der Farm helfen, aber es ist immer so viel zu tun. Und in dieser Saison wird besonders viel los sein, es wird wohl einige Veränderungen geben … glaube ich.«
Hazel blickte zurück zu Rosanna, die jetzt in ihrem Studio auf und ab ging. Sie hob einen Vorhang und spähte hinaus, als sei sie von etwas abgelenkt worden, was sie auf der Wiese gesehen hatte. »Hast du irgendwelche Erfahrungen mit Galerien?«, fragte sie mit einem geistesabwesenden Blick in den Augen.
»Galerien?«, wiederholte Hazel, deren Gedanken bei dem Wort Veränderungen hängengeblieben waren. Welche Art von Veränderungen? Wusste Rosanna bereits, dass sie schwanger war? »Nein«, antwortete Hazel gedankenverloren. »Ich meine, nicht wirklich, aber …«
»Nicht, dass das hier eine richtige Galerie wäre, nein, aber es wäre toll, jemanden hier zu haben, der mir beim Aufhängen hilft, vielleicht mit mir daran arbeitet, die richtigen Exponate auszuwählen …« Rosanna drehte sich um, musterte Hazel mit einem Lächeln und betrachtete ihr Kleid. »Du siehst aus, als hättest du einen guten Geschmack.«
Hazel wurde rot. »Oh, na ja, ich weiß nicht …« Sie brach ab und spürte Rosannas interessierten Blick. Dies war ihre Chance, etwas Zeit mit ihrer Mutter zu verbringen! Sie würde das nicht ruinieren, indem sie zu bescheiden war. »Ich könnte es lernen«, sagte sie entschlossen und
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