Drei Wunder zum Glück (German Edition)
ist.«
Hazel betrachtete Jaimes Gesicht, während diese sorgfältig die Beschaffenheit der Klippen studierte. Jeder Tag mit Jaime war neu und überraschend. Seit Reids Rückkehr umgab sie eine Leichtigkeit und ein gewisser Humor – beides hatte Hazel vorher nicht kennengelernt. Selbst während der gemeinsamen Arbeit bei Rosanna war Jaime geduldiger. Und auch wenn sie die meisten Abende mit Reid verbrachte – mit ihm zusammen in der Stadt etwas essen ging oder sie es sich bei ihm zu Hause gemütlich machten –, erzählten sie und Hazel sich abends immer noch die Ereignisse des Tages. Es war, wie eine Schwester zu haben, oder um genauer zu sein, so wie Hazel es sich immer vorgestellt hatte, eine Schwester zu haben.
Nur, dass normalerweise ihre Schwester nicht gleichzeitig ihre Mutter wäre. Doch die meiste Zeit dachte Hazel nicht daran. Sie hatte viel zu viel Spaß, um groß nachzudenken. Wenn sie es mal tat, dann freute sie sich darüber, dass alles so gut ging. Und wenn es weiter so gut ging und Reid und Jaime zusammenblieben, dann würden sie ihr Baby vielleicht behalten und selbst großziehen. Wenn die Dinge sich so entwickelten, wie Hazel hoffte, dann hätte sie noch viel mehr gute Zeiten vor sich. Vielleicht für den Rest ihres Lebens.
»Sieh nur!«, rief Jaime, kratzte ein paar Lagen Sand weg und zog etwas heraus, was wie ein kleiner, dreieckiger Steinbrocken aussah. »Ein Haifischzahn.«
Jaime öffnete ihre Hand. Der Zahn hatte kleine Risse, mit kleinen schwarzen Linien über seiner gezackten Oberfläche. »Es gibt Tonnen davon hier drin, und sie sind Tausende von Jahren alt«, sagte Jaime und schloss die Finger fest um ihr Fundstück. »Auch Pfeilspitzen. Es ist, als sei die ganze Geschichte der Insel in der Zeit eingefroren. Alles, was man tun muss, ist, danach zu suchen.«
Jaimes Blick war versonnen, und Hazel fragte sich, wie es sein musste, sich so mit einem Platz verbunden zu fühlen. Selbst in der Erde, auf der man jeden Tag lief, seine eigene Geschichte zu spüren! Und dabei ging es um mehr als um eine Familie, es ging um die Geschichte eines ganzen Volkes. Jaimes Volkes!
Die nun auch ihre eigene war.
Hazel griff in ihre Tasche und zog die Kamera wieder heraus. Ohne nachzudenken, richtete sie den Sucher auf den Zahn in Jaimes offener Hand. Jaimes Finger waren erdverkrustet und voller Sand, und der gezackte weiße Zahn blitzte zwischen den Linien in Jaimes Handfläche auf.
Die Kamera spuckte das Foto aus, und erst als Hazel es in der Hand hatte, fiel ihr ein, dass sie ja eigentlich Porträtfotos hatte machen wollen.
»Beweg dich nicht«, befahl sie und machte ein paar Schritte zurück.
»Was hast du vor?«, fragte Jaime und schloss die Finger wieder um den Haifischzahn.
»Tu einfach so, als wäre ich nicht hier«, sagte Hazel und nahm Jaimes Gesicht in den Sucher. Aber Jaime vergrub schnell ihren Kopf hinter dem Ärmel ihres T-Shirts, gerade, als Hazel auf den Auslöser drückte.
»Ich sehe aus wie ein Wal«, murrte Jaime und floh zu einem anderen Teil der Klippen, weiter unten am Strand. »Nicht jeder Moment muss für die Ewigkeit konserviert werden, verstehst du?«
Hazel seufzte und steckte das Foto in ihre Tasche. Sie brauchte gar nicht auf das verschwommene Bild zu sehen, um zu wissen, dass sie lediglich ein paar Finger und dunkles Haar erwischt hatte.
»Nette Kamera«, sagte jemand plötzlich über Hazels Schulter hinweg. Sie drehte sich um und sah Reid hinter sich stehen, er war in ein Handtuch gehüllt.
»Danke«, sagte Hazel und blickte in seinem langen, schmalen Schatten zu ihm hoch. »Nur schade, dass ich niemanden dazu bekommen kann, stillzusitzen.«
Reid lächelte und kniete sich neben ihr in den Sand. »Sieh bloß mich nicht an«, sagte er und trocknete seine Hände. »Ich musste bei meinem Vater schon immer herhalten. Er ist ein totaler Foto-Freak.«
Reid streckte eine Hand aus, und Hazel reichte ihm die Kamera. Er drehte den Apparat in den Händen. Seit er zurück war, hatte Reid fast seine ganze Zeit mit Jaime verbracht, entsprechend selten hatten er und Hazel die Gelegenheit, sich mal zu zweit zu unterhalten. Da konnte man leicht vergessen, dass er so viel mehr als nur Jaimes Freund war. Er war Hazels Vater , und sie wusste immer noch fast nichts über ihn.
»Ist er Fotograf?«, fragte Hazel und strich sich die Haare aus den Augen. »Dein Vater?«
»Das wäre er gern«, sagte Reid und hielt den Sucher an ein Auge. »Er ist eher ein Sammler. Er hat ein paar echt
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