Drei Wunder zum Glück (German Edition)
dass er Vater wurde.
»Alles ist bestens«, schaffte Hazel es schließlich zu sagen. Egal, wie sehr sie sich wünschte, die Entscheidungen zu beschleunigen, sie wusste, es stand ihr nicht zu. Auch nicht, es Rosanna zu sagen. »Reid ist wirklich nett, und Jaime ist viel glücklicher, seit er wieder da ist.«
Rosanna lächelte und wirkte beruhigt. »Das ist gut«, sagte sie. »Und das ist wahrscheinlich auch alles, worauf es ankommt.«
Hazel schluckte. Sie hatte oft überlegt, wie es wäre, einen Erwachsenen anlügen zu müssen. Früher in der Schule hatte sie manchmal mitbekommen, wie die Mädchen auf der Toilette sich auffällig schminkten, obwohl ihre Mütter es ihnen verboten hatten, oder wie sie sich gegenseitig die Ausreden erzählten, die sie zu Hause benutzt hatten, wenn sie zu spät nach Hause gekommen waren. Hazel hatte immer gedacht, dass sie zumindest diesen Teil des Lebens in einer richtigen Familie nicht vermisste.
Doch jetzt, da sie Rosanna gegenübersaß, erlebte sie es doch. Wie es war, zum Lügen gezwungen zu sein. Es bedeutete, dass es jemanden gab, der Fragen stellte. Jemand kümmerte sich. Und plötzlich war Hazel neidisch auf jene Mädchen. Und auch wütend. Weil diese Mädchen keine Ahnung hatten, wie viel Glück sie hatten. Rosanna war zwar auch nicht Jaimes Mutter, aber sie sorgte sich genug um sie, um Fragen zu stellen. Und das zählte.
Hazel fühlte sich entschlossener denn je, die Dinge in eine andere Richtung zu lenken. Wenn sie nur in einer Familie aufwachsen könnte, wenn sie nur alle zusammen auf der Insel bleiben könnten, wenn sie nur eine Mutter hätte, die sich um sie Sorgen machte, ihr Fragen stellte und sich darum kümmerte, dass es ihr gutging, dann, das wusste Hazel, würde sie nie wieder lügen.
22
»Hey, Annie Leibovitz!«
Hazel kauerte vor der Scheune und blickte hoch. In der einen Hand hielt sie die Kamera, mit der anderen Hand schirmte sie die Augen gegen die Sonne ab. Luke lehnte sich mit nacktem Oberkörper und sehr süß mit noch zerzaustem Haar aus seinem Fenster. »Ist es nicht etwas früh für eine Nahaufnahme von mir?«
Hazel grinste und hielt den Finger vor den Mund, damit er leise war. Es war tatsächlich noch sehr früh am Morgen, und sie hatte versucht, ein paar Schnappschüsse von der Scheune im dunstigen Licht der Dämmerung zu machen. Sie hatte nicht gedacht, dass schon irgendjemand wach sei, und nur ein Sweatshirt über ihren Schlafanzug gezogen. Diesen Entschluss bereute sie nun schon.
Luke flüsterte lautstark, dass er gleich unten wäre. Hazel lächelte und richtete ihre Kamera wieder zurück auf die Scheune. Sie hielt den Sucher ans Auge und versuchte, so viel wie möglich von dem breiten, roten Gebäude einzufangen. Sie mochte es, wie die rote Farbe mit dem schwachen Grau des Morgenhimmels kontrastierte, doch sie konnte sich nicht recht entscheiden, aus welchem Winkel sie fotografieren sollte.
Schnell machte sie noch ein paar Aufnahmen, dann richtete sie sich auf und drehte sich zu den Klippen und dem Ozean. Sie machte einen langsamen Halbkreis und nahm das Panorama in sich auf. Es war ein umwerfender Ausblick, aber wo sollte sie anfangen? Welcher Teil von Meer und Himmel war ihrer, um ihn für immer festzuhalten?
Sie drückte auf den Auslöser und erinnerte sich daran, was Rosanna ihr geraten hatte: nicht zu selbstkritisch zu sein.
»Bist du bereit?«
Hazel drehte sich um und sah Luke vor dem Scheunentor stehen. Er trug seine Arbeitskleidung, ein gebügeltes Yachtclub-Poloshirt und saubere Khakishorts.
»Bereit wofür?«, fragte Hazel und steckte die getrockneten Fotos ins äußere Fach ihrer Tasche.
»Wirst du schon sehen«, sagte Luke, drehte sich auf dem Absatz um und ging zu Craigs silbernem Pick-up. Hazel steckte langsam ihre Kamera weg.
»Beeil dich«, rief Luke vom Fahrersitz. »Oder wir kommen zu spät.«
Hazel stieg ins Auto. »Wofür zu spät?«, fragte sie. »Wohin fahren wir denn? Und ich dachte, du läufst überall zu Fuß hin. Kannst du überhaupt Auto fahren?«
»Sehr witzig!« Luke ließ das Auto an und fuhr rückwärts aus der Einfahrt. »Und man nennt so etwas Überraschung, Hazel«, sagte er, ein Funkeln in seinen braunen Augen. »Der Grundgedanke dabei ist, dass du es erst erfährst, wenn wir dort sind. Kommst du damit klar?«
Hazel verdrehte die Augen und erhaschte einen Blick auf sich selbst im Außenspiegel. Ihr Haar war eine Katastrophe.
»Ich habe anscheinend keine Wahl.« Sie sah auf ihr Spiegelbild und
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