Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
Fechtergruß. »Die Stunde ist beendet«, sagt sie und zückt ihren Lippenstift.
Anton ist aus dem Saal gerannt. Dem war das wohl zuviel; für ihn ist das nichts.
Aber nein, jetzt kommt er wieder mit einer Emailschüssel und ein paar Handtüchern überm Arm.
»Du musst nicht den Samariter spielen, ich sag der Pfleiderer Bescheid«, bemerkt Felice und rauscht an ihnen vorbei und hinaus.
Anton beachtet ihren Abgang nicht, er zieht vorsichtig Leonies Hand herunter, die sie wieder auf die Wunde gelegt hat, und drückt ihr eine feuchte Kompresse auf Stirn und Nase.
»Sieht schlimm aus«, sagt er leise. »Das war ein dummes Versehen.«
(Da ist Leonie ganz anderer Meinung.)
Die Angelegenheit zieht Kreise.
Frau Pfleiderer erscheint und schlägt die Hände zusammen, und dann tauchen auch noch das Nannerl und das Lieserl auf und geben Ratschläge. Nannerl empfiehlt, ein rohes Steak aufzulegen, was natürlich in diesem Haus nicht aufzutreiben ist, und Lieserl rät zu einer auf die Stellen gepressten Messerklinge, aber Leonie hat keine Lust, Eisen mit Eisen zu kurieren.
»Spiegel!«, sagt sie mit vor Schmerz gepresster Stimme. »Hat keiner einen Spiegel?«
Die Frau Pfleiderer, oh Wunder, kramt aus ihrer Schürzentasche einen kleinen Handspiegel mit Griff hervor; das hätte Leonie ihr überhaupt nicht zugetraut.
Es sieht – zunächst einmal – dramatisch aus. Eine fette roteStrieme zieht sich quer über das Gesicht. »Wenn Sie irgendwo essigsaure Tonerde auftreiben könnten?«, bittet sie die Haushälterin. »Ich geh dann mal in meinen Anbau«.
Sie zögert. »Danke, Anton.«
Er erwidert zunächst nichts darauf, betrachtet ihr Gesicht. »Das vergeht bestimmt schnell, keine Bange«, sagt er dann leise. Und: »Entschuldigung.« Als wenn er’s gewesen wäre ...
»Ist schon gut«, sagt sie und lässt Anton nebst Wasser und Handtüchern einfach auf der Bühne stehen. Es tut wirklich ziemlich weh.
Nachmittags ist die Schwellung weitgehend zurückgegangen, und wenn ich mich hier in meiner Dependance im Spiegel betrachte, zeigt sich nur noch ein schmaler roter Strich.
Es ist merkwürdig, aber seit sie mir diesen Hieb versetzt hat, fühle ich mich besser. Sie hat ihre Wut wegen des Mem an mir ausgelassen. Sind wir vielleicht erst einmal quitt?!
Dann klopft es an die Tür, und als ich öffne, steht da Anton, Edler von Rofrano, mit einem eindeutig selbst gepflückten Sträußchen Jasmin in der Hand (das Zeug wächst da hinten im Park) und lächelt sein schiefes Lächeln. Außerdem trägt er ein rotes Saffianköfferchen.
» Sie schickt mich«, sagt er, »mit dem hier.«
»Was ist das?«
»Ihre Schminkkollektion. Sie sagt, damit kriegen Sie’s zugedeckt.«
»Wie fürsorglich!«, sage ich ironisch.
»Leonie! Das war doch nicht mit Absicht!«
»Wie bitte?«
Er seufzt. »Manchmal ist sie eben ein bisserl ... rabiat.«
»Das kann man wohl sagen«, bestätige ich grimmig. Rabiat und hysterisch. »Wie halten Sie das eigentlich aus mit ihr, so jeden Tag und jede Stunde?« (Ich muss an unser gemeinsames Essen denken, an Felices Verhalten dem Freund gegenüber und an den Streit, bei dem die Textbücher aus dem Fenster flogen.)
Er sieht mich nicht an. »Ach«, entgegnet er, »ich halt es mit ihr aus und sie mit mir. Wir halten’s eben miteinander aus.«
Ich bitte ihn herein und nehme ihm den Schminkkoffer ab, und er setzt sich auf einen der Stühle in meinem »Probenraum« und legt die Blumen achtlos auf den Tisch, statt sie mir in die Hand zu geben.
» Sie hat gemeint – vielleicht ... vielleicht könnt ich was kitten.« Er legt den Kopf schief und sieht mich erwartungsvoll an. »Kitten?«, wiederhole ich. »Wie soll das denn gehen?« »Vielleicht – wie wär’s, wir gehen miteinand aus?«
Ich runzele die Stirn (es tut immer noch weh). »Was meinen Sie damit?«, frage ich misstrauisch. »Wollen Sie sagen, sie hat Ihnen erlaubt, dass Sie mich ausführen? Sozusagen als Trostpflaster?«
»Ja«, erwidert er ehrlich.
Ich muss lachen. Eine Zerstreuung wäre gar nicht so verkehrt. »Gut also. Und was soll’s da sein?«
»Ja mei, ich hab mir halt denkt, so a Restauration oder a Varieté ... « Er zuckt die Achseln, nagt an seinem Daumennagel.
Varieté? Da fällt mir etwas ein. Die Rolandbühne auf der Mazzesinsel! Das jüdische Kabarett. Etwas, was ich noch nie erlebt habe! »Ein Kabarett? Würden Sie mit mir ins Kabarett gehen?«
»Warum net?« Er zuckt die Achseln. »Vorausgesetzt ... « Er zögert. »Aber Sie
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