Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
sauber gelöst!«
»Fee, es ist die Beletage! Was hättest du davon, außer dass du dir die Knie auf’m Kies aufschlagen würdest!«
»Und du wagst noch, dich über mich lustig zu machen – wo ich so im Elend bin!«
Sie stürzt auf ihn zu, die Finger gespreizt, und er muss sie an den Handgelenken packen und festhalten, sonst hätte er ihre Krallen im Gesicht.
»Felice! Wieso bist du im Elend, weil du eine Rolle nicht bekommen hast?«
Sie lässt von ihm ab, dreht sich weg, lässt sich auf einen Stuhl sinken.
»Du verstehst es nicht«, sagt sie klagend, leise. Dann wechselt sie die Tonart, wird ironisch. »Der Herr ist nicht in der Lage, daszu verstehen. Dieser Mensch ohne Ehrgeiz und Streben begreift nicht, was es bedeutet, wenn einem die Lebensträume zerrinnen. ›Eine Rolle‹ sagst du? Die Rolle ist es, du aristokratischer Hohlkopf, die Rolle, auf die ich jahrelang gewartet habe! Als ich hörte, dass dies Stück auf den Spielplan kommt, da war mir klar, dass man es für mich ausgesucht hat, einzig für die Lascari, was sonst!« Sie schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirn, lacht auf. »Was für eine Närrin bin ich gewesen, was für eine Närrin!«
»Ist es dieses Drama, das ... «
»Ach, hör auf, du kennst es doch ohnehin nicht, und selbst wenn du es kennen würdest – du würdest nicht begreifen, warum ich...«
Ihre Stimmung schlägt wieder um, sie steht auf vom Stuhl, streift durch den Raum wie eine Tigerin, schwer atmend. »Und da hör ich heute Morgen, als ich ins Haus komme, dass der Besetzungszettel raus ist, und gehe hin, um zu sehen, mit wem ich spielen werde, und dann ... dann stehe ich gar nicht drauf!« Sie breitet die Arme aus, wirft den Kopf in den Nacken, als solle sie einen Gekreuzigten spielen.
(Anton beobachtet sie, wachsam. Sagt vorsichtshalber lieber gar nichts. Ist auf der Hut.)
»Und ringsum stehen die Kollegen, die auch nachschauen wollen, wer wohl so auserwählt worden ist von der Intendanz des hehren Hauses, und belauern mich, was ich wohl sage, wenn ich entdecke, dass Felice Lascari nicht besetzt ist!« Sie macht eine dramatische Pause, sagt dann mit zusammengepressten Zähnen. »Natürlich habe ich mir nichts anmerken lassen. Das fehlte noch.«
Plötzlich fegt sie mit einer knappen Handbewegung eine Vase herunter; so schnell kann Anton gar nicht sein, wie das kostbare Gefäß in tausend Stücke zerspringt. »An all dem ist nur der Hausler schuld, dieser Zeitungsschmierer mit seiner Kolumne! Mit seiner unverschämten Anmerkung, ich sollte langsam zur Rolle der Königinmutter überwechseln! Er hat mich ruiniert! Es geht bergab mit mir! Einfach bergab.«
Anton kniet am Boden und sucht die Scherben zusammen.
Murmelt: »Na, das gute Stück ist ja dann wohl unwiderruflich dahin.«
Sie hat sich vor ihm aufgebaut. »Warum sagst du nichts? Warum hörst du dir das nur an? Rede ich mit der Wand?«
»Was soll ich sagen? Dass du den Hausler maßlos überschätzt?«
»Ha! Als wenn du nicht wüsstest, wie’s in diesem Wien zugeht! Jedes Geflüster wird weitergetratscht. Jeder Luftzug wird zum Orkan. Wenn’s die Presse so sieht, dass die Lascari zu alt ist für ihre Rollen, na, dann gibt ihr die Burg eben keine Rollen mehr, so einfach ist das!«
Sie hat die Zähne von den Lippen gezogen, sieht auf ihn herunter.
»Lass das!«, zischt sie wütend. »Lass das liegen! Lass all die Scherben liegen! Hier gibt’s nur noch Scherben!«
Und da er nicht reagiert, hebt sie den Fuß und tritt nach seiner Hand.
Anton sieht auf und langsam steigt ihm die Röte in die Stirn. »Felice Lascari, ich mag zwar dein Depp sein, aber wie einen Hund traktieren lass i mi net!«, sagt er unerwartet scharf.
Er steht auf, sie mustern sich. Plötzlich schießen Felice die Tränen in die Augen. »Jetzt fängst du auch noch an, auf mich loszugehen! Du, das Einzige, was ich hab! Ja, es ist aus, alles ist aus und vorbei! Ich werd keine Rollen mehr bekommen und du – du wirst mich verlassen!«
»Wie kommst du denn darauf?«, sagt er genervt, die Scherben der Vase in der Hand.
Sie scheint ihn nicht zu hören. »Und dann noch dies Mädchen, diese Hergelaufene aus Berlin, das mich berauben will ... « »Wieso will sie dich berauben?«
»Das sag ich dir später, das ist jetzt nicht wichtig. Aber sie hat mich – sie hat mich sehr aufgebracht. Ach, was soll bloß werden mit mir?« Sie wimmert leise.
Vorsichtig wagt Anton, die Arme um sie zu schließen, und jetzt lässt sie es geschehen. »Ich bin
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