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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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müssen’s halt zahlen.«
    »Anton, das weiß ich doch. Das müssen Sie mir nicht noch einmal extra sagen.«

25
    Felices Schminke deckt wirklich ausgezeichnet ab. Als Leonie in der kühlen Abenddämmerung dieses Maitages den Fiaker besteigt, sieht sie perfekt aus: angemalt wie zum großen Auftritt, die ohnehin dunkel leuchtenden Augen noch mit schwarzem Stift umrahmt, Wimpern wie Pfeile, schräg überm Haar ihren großen Hut, der einst für Südfrankreich gekauft war.
    Anton staunt sie an. »Ihr jüdischen Weiber seid doch die schönsten!«, sagt er dreist. Sie schnappt nach Luft, aber er fügt eilig hinzu: »Fesch sehn S’ aus!«, und zieht anerkennend den Hut, seine geliebte »Kreissäge«.
    Ein Blick nach unten belehrt Leonie, dass er – diesmal Strümpfe trägt!
    Er bemerkt diesen Blick und quittiert ihn mit seinem schiefen Grinsen.
    »Zur Feier des Tages, ja?«, sagt Leonie.
    Er nickt.
    »Und warum sonst nicht?«
    »Das ist auch so a Angewohnheit aus’m Internat. Da mussten wir unsre Strümpf selbst stopfen, wenn unsere Angehörigen kein Geld hatten, neue zu kaufen – wie’s halt bei mir der Fall war. Ein Horror! Haben S’ schon amal einen Buben gesehn, der Strümpfe stopft? Und die Gesichter dazu, die die anderen Buben machen? Und beim Gesichterschneiden ist’s nicht geblieben. Da bin ich lieber gleich ohne gegangen.«
    »Muss ziemlich schlimm gewesen sein auf diesem Internat«, bemerkt Leonie und denkt an die abgekauten Nägel.
    »Ziemlich«, bestätigt er ernst.
    »Aber Felices bloße Füße? Die war doch nicht im Internat!«
    »Ist wohl als Mäderl auch ziemlich viel barfuß gelaufen, notgedrungen«, sagt er. »Und jetzt behauptet sie, es ist gesund.«
    Er wechselt das Thema, es ist ihm wohl peinlich. »Wissen S’ schon, was Sie sich anschauen wollen?«
    Sie nickt, beugt sich vor und gibt dem Kutscher Anweisung.
    Als der Wagen über die Schwedenbrücke rollt, sagt Anton: »Ja, Herrschaftszeiten, wo geht’s denn hin? Ich bin mein Lebtag noch nicht jenseits vom Donaukanal gewesen! Dahin geht man nicht!«
    »Ich denke, wir wollen ins Kabarett«, entgegnet sie ungerührt. »Da auf der Insel? Im zweiten Bezirk? Was soll’s denn da geben?«
    »Das werden wir jetzt erkunden.«
    Anton verstummt erst einmal. Er drückt sich in seinen Sitz und bewegt sich nicht. Offenbar fühlt er sich überhaupt nicht wohl in dieser Gegend. (Und das ist gewissermaßen nachzufühlen.)
    Es ist nicht weit. Nicht in der Taborstraße, sondern in der breiten noblen Praterstraße liegt die kleine »Rolandbühne«, deren Ankündigung sie gelesen hat, als sie hier war.
    Ihr Gefährt muss bremsen, um eine elektrische Straßenbahn (hier sagt man: Tram) vorbeizulassen. Aus dem bereits erleuchteten Waggon starren sie Männer mit federgeschmückten Feldmützen an, lachen breit und schlagen sich gegenseitig auf die Schulter, zeigen auf sie.
    (Wo hat sie so eine Mütze schon einmal gesehen? Richtig, im Spind vom Joseph. Von einem Schützenverein vielleicht.)
    »Wollen die was von uns?«, fragt Leonie, und Anton zuckt stumm die Achseln. Er hilft ihr aus dem Wagen (sie zahlt) und bleibt zögernd stehen, während sich der Fiaker entfernt.
    »Das ist Ihnen wirklich ernst?«, fragt er. Leonie mustert ihn unwillig, wie er dasteht im Licht einer Straßenlaterne und von einem Bein aufs andere tritt. »Hatten Sie sich nun angeboten, mich zu begleiten, oder nicht? Ich weiß nicht, was Sie stört – aber Sie können auch wieder nach Haus fahren. Rufen Sie, der Wagen ist noch nicht weit.«
    »Ich kann Sie doch nicht allein lassen hier!« Er seufzt. »Unter all diesen ... diesen fremden ausländischen Juden. Hier ist’s gefährlich.«
    Leonie beißt sich auf die Lippen. Ihr war ja klar, dass daher der Wind wehte. Aber nun spricht er’s aus. Fremde ausländische Juden! Nicht solche kultivierten und angepassten wie Felice und sie, meint er das? Dabei sind die hier lebenden doch schon lange auf der »Mazzesinsel«. Vielleicht meint er: arme Juden?
    »Ob Sie’s nun glauben oder nicht: Ich fühle mich in dieser Gesellschaft nicht unwohl«, sagt sie herausfordernd. »Außerdem: Haben Sie mir nicht von Ihrer Vorliebe für – wie sagten Sie doch? – jüdische Weiber vorgeschwärmt? Da finden Sie heute Abend bestimmt eine reiche Auswahl. Und was hier gefährlich ist, das weiß ich auch nicht. Niemand wird uns ausrauben.«
    »Ach, das mein ich doch nicht!«, murmelt er, aber sie hört gar nicht mehr zu.
    Sie deutet auf die Tür mit der leuchtenden

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