Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
unglücklich«, murmelt sie.
Er legt die Reste der Vase fort und zieht ihren Kopf an seine Schulter. »Manchmal hat man’s nicht leicht mit dir«, sagt er mit schiefem Lächeln.
»Keiner hat je behauptet, dass es irgendwer mit mir einfach haben sollte«, erwidert sie mit bleierner Stimme. »Ich geh jetzt zu Bett. Order mir einen Melissentee von der Pfleiderer. Und dann schlaf ich und dann ...«
»Dann malst du dir einen schönen Mund und ziehst war Fesches an und bist die Lascari. Und wenn du noch was zerschmeißen willst – da wär dies Sèvres-Porzellan ... «
»Vielleicht fällt mir was Besseres ein, was ich kaputt machen kann«, sagt sie, und es klingt gefährlich.
Anton verdreht die Augen. »Halt dich zurück, ja, Fee?« »Warum sollte ich?«
Erstaunlich. Leonie hat eine Unterrichtsstunde bei Felice, ganz unerwartet. Mit ziemlichen Bauchschmerzen geht sie in den Probenraum. Wird die andere sie noch einmal zur Rede stellen wegen des versuchten ... Diebstahls, ihr Vorwürfe machen, sie zumindest mit Anspielungen eindecken? Sie erinnert sich an das Ende ihres »Disputs«: »Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen!« und Felices drohendes: »Das könnte wirklich sein!«
Aber wie es scheint, hat sie sich geirrt. Als sie den kleinen Saal betritt, ist da nicht nur ihre Schauspiellehrerin, sondern auch, wie beim ersten Mal, der Herr von Rofrano. Über einem Stuhl liegen Kleidungsstücke und drei lange Rapiere.
»Da ich ja weiß, wie begierig du darauf bist, Theatertechniken zu lernen, und sogar auf Stelzen herumläufst«, – sie zieht ironisch die Brauen in die Höhe –, »ist heute Bühnenfechten angesagt. Da lernst du wenigstens was Ordentliches.«
»Was hat Anton dabei zu tun?«, fragt Leonie irritiert.
»Der lernt das gleich mit. Das ist was fürs Leben. Das heißt, erst einmal guckt er zu.« Sie greift zwei der Degen und die Garderobe und springt auf die Bühne. »Komm.«
Die Kleidungsstücke entpuppen sich als zwei lange, weite Röcke,die man sich mit einer Art von Hosenträgern befestigt und dann noch in der Taille festschnürt. (»So eng wie möglich, das gibt Haltung!«, weist Felice an.) Ihre Lehrerin erklärt: »In solchen Aufführungen, wo du als Frau Gelegenheit hast zu kämpfen, wirst du fast immer in einem historischen Kostüm herumlaufen. Es könnte sogar mal ein Kleid mit langer Schleppe sein. Also hat es gar keinen Sinn, etwas zu erarbeiten ohne dies Handicap.«
Sie schnürt sich in den anderen Rock ein, erklärt weiter: »Beim richtigen Fechten kommt es darauf an, möglichst schnell zu sein und möglichst dicht an den Gegner heranzugehen, um ihm Treffer zu versetzen. Beim Bühnenfechten ist es gerade umgekehrt. Es ist Schaufechten, die Leute wollen etwas sehen für ihr Geld! Darum müssen die Bewegungen groß sein, die Paraden deutlich. Und wenn du einen ›Treffer‹ landest, dann muss er mindestens zehn Zentimeter am Körper vorbeigehen.«
Ihre Augen funkeln. »Und nun En Garde! Ich geh mit dir die Stellungen durch.«
Leonie schmerzt die Hand schon nach wenigen Minuten, und die Fachbegriffe, die »Fauststellungen«, die ihre Lehrerin nennt, rauschen an ihren Ohren vorbei, ohne dass sie sich auf die Schnelle etwas merken kann. Sie gerät außer Atem und der lange Rock wickelt sich ihr um die Beine und bringt sie zum Stolpern.
Die Schauspielerin hingegen wirbelt um sie herum und das Kleidungsstück scheint sie nicht im Geringsten zu stören.
»Terz, Terz, schön weit ausholen!« Leonie kommt ins Schwitzen. Terz, die dritte Fauststellung. Wie war die doch gleich?
Felices Handgelenk scheint aus Stahl zu sein. »Schütz dein Gesicht, ich greife jetzt an!«
»Bichette!« Das ist Antons Stimme, beschwörend, drängend. »Halt dich da raus und guck zu!«
»Bichette, hör auf!«
»Eine Battuta ist das und jetzt eine Riposte!«
So schnell kann Leonie nicht parieren. Sie weiß überhaupt nicht, was geschieht. Das Rapier erwischt sie im Gesicht, von der Stirn über den Nasenrücken schräg hinüber zur Wange.
Es sind stumpfe Waffen, gewiss, aber es ist wie der Hieb einer metallenen Peitsche und tut höllisch weh. Sie lässt die Klinge fallen, hebt die Hände vor die Augen und krümmt sich vor Schmerz.
Wie durch Watte hört sie Anton »Jessasmaria, Jessasmaria!« rufen und dann die kalte Stimme der Schauspielerin: »Du hast deine Deckung vernachlässigt, Mädchen.«
Sie sieht mit tränenden Augen auf. Felice steht vor ihr, mustert sie gleichsam neugierig und hebt dann die Waffe zum
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