Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
wiederherstellen. Und nun, wie er da sitzt – ein Häufchen Elend.)
»Ich schieb mal die Garderobe wieder vor den Durchgang. Der Weg ist ohnehin versperrt«, sagt er matt.
Und der Weg zum zweiten Zeichen? Der erst recht.
36
Quälend vergeht der Rest des Nachmittags.
Da habe ich nun meine Verträge – und fühle mich schlecht. Das Mem in weite Ferne gerückt ...
Anton von Rofrano lungert bei mir in der Wohnung herum und wartet offenbar auf ein Wunder. Gegen Abend entschließt er sich dann doch, ins Hotel zu gehen. Aber erst will er an einer Apotheke in der Nähe vorbei und sich ein Schlafpulver besorgen, ehe die schließen. Er steht gerade seufzend auf und will nach seinem Jackett greifen, da klappt drüben die Tür, schnelle Schritte auf der Vortreppe.
Anton hält alarmiert inne. »Es ist etwas passiert!«, sagt er halblaut. Er ist plötzlich sehr wach, sehr gespannt.
Dann klopft es auch schon, und auf mein »Herein!« weht eine ziemlich aufgelöste Pfleiderer ins Zimmer (die Dienstboten sind zurückbeordert worden), die sonst immer korrekte Frisur halb aufgelöst, die Brille auf der Nasenspitze.
»Die gnädige Frau!«, stammelt sie hilflos. »In zwanzig Minuten, hatte sie gesagt, soll ich ihr frische Handtücher ins Bad bringen. In zwanzig Minuten! Und als ich komme, da liegt sie da im Wasser und ... ich dachte, weil Sie doch die Angehörigen sind ... «
Anton ist schon an ihr vorbei und zum Palais, er nimmt zwei Stufen auf einmal. Ich folge ihm mit der Haushälterin.
Quer durchs Haus, durch die erleuchteten Räume, Empfangszimmer, großer Salon, Frühstückszimmer, Speisezimmer, Rauchsalon, Wintergarten, Bildergalerie. Die doppelflügelige Schleiflackpforte steht weit offen, ebenso die kleine Tür. Der Schreibtisch ist beleuchtet. Die Tapetentür zum Bad ist ebenfalls bis zum Anschlag geöffnet.
Anton kniet bereits neben der Wanne mit dem zartrosa Wasser. An der Erde, neben Frau Pfleiderers frischen Handtüchern, eine leere Cognacflasche. Felices rechter Arm hängt schlaff über den Wannenrand. Sie hält den hübschen Brieföffner, diesen kleinen Dolch, mit dem elfenbeinernen Wolfsmaul noch fest.
Anton hält ihren Kopf und zieht prüfend ihr Augenlid herunter. Er legt seine Hand an ihre Halsschlagader, atmet auf. Dann greift er zu und hievt den anderen, den linken Arm aus dem Wasser. Der Schnitt quer überm Handgelenk sieht aus wie ein blasser Mund.
Die Pfleiderer schreit unterdrückt auf. »Jessasmaria! Ja, was soll ich denn jetzt tun? An Arzt herrufen zunächst amal ...«
»Überhaupt nicht!«, sagt Anton, es klingt fast ärgerlich. »Die gnädige Frau hat einen Schluck zu viel getrunken und sich dabei aus Versehen verletzt.« Er untersucht den anderen Arm, entwindet ihr den Brieföffner. Das Gelenk dieser Hand ist unverwundet.
Er richtet sich auf. Sagt schnell und entschlossen: »Her mit den Handtüchern. Leonie und ich, wir tragen sie rüber aufs Bett. Sie, san S’ so gut und holen S’ an Salzwasser, an lauwarmes, und eine Schüssel. Sie muss den Rest vom Cognac loswerden. Nun machen S’ schon!«
Die Pfleiderer enteilt, und gemeinsam heben wir Felice aus der rosa Brühe und schleppen sie an einer Liege im Bad vorbei (»Nein, nicht hier. Ins Schlafzimmer!«) durch den Vorraum mit dem Schreibtisch und in den anderen Raum, wo das große Bett mit einladend zurückgeschlagenen Decken wartet. Dort legen wir die nasse Frau ab und Anton tupft sie mit den Tüchern trocken und deckt sie dann zu.
Der Edle von Rofrano ist wie ausgewechselt. Er handelt überlegt und schnell. Ganz und gar Herr der Lage, kein bisschen hilflos, kein bisschen Augen niederschlagen. Kein bisschen »Flusch«.
Ich dagegen zittere am ganzen Körper. »Sollten wir nicht doch einen Arzt ... ?«, frage ich. Meine Stimme will nicht so recht.
Anton schüttelt den Kopf. »Da ist keine Gefahr«, sagt er ruhig. »Ich kenne mich aus. Der Schnitt. Er ist nicht sehr tief. Und gehtquer. Wenn man das richtig machen will, muss man längs schneiden, die Ader tief aufschlitzen.«
»Woher weißt du das?«, frage ich und starre ihn an. Unsere Augen begegnen sich. Seine Pupillen sind so groß, dass sie fast schwarz wirken. »Mein Vater! Der hat es auch so versucht«, entgegnet er und zuckt die Achseln, mit einem Anflug seines alten Lächelns. »Er hat zum Dramatischen geneigt.«
Sein Hemd ist klitschnass. Er hat seinen Arm unter Felices Schultern gelegt, hält sie, wiegt sie hin und her.
»Das Ganze zielt auf mich!«, erklärt er mir, ganz
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