Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
sachlich. »Sie hat’s so inszeniert, dass es richtig aufgehen musste. Hat die Pfleiderer für zwanzig Minuten später bestellt, damit die sie findet. Säuft sich voll in der Wanne. So voll, dass sie’s nur noch an einem Arm schafft. Schönes Theater. Burgtheatergemäß. Ach, Leonie, geh, sei doch so gut, hol aus dem Schrankerl da drüben im Bad a Binden. Jetzt fängt’s wieder an mit Bluten, versaut uns das ganze Bett.«
Ich nicke, gehe mit zittrigen Knien hinüber und reiße ein paar Scheren, einen Haartrockner und zwei Flakons mit irgendetwas heraus; zum Glück zerbrechen die nicht. Finde endlich das Schächtelchen mit den Mullbinden und bringe sie rüber.
»Halt ihr den Arm hoch!«, kommandiert Anton, öffnet die Schachtel und beginnt schnell und geschickt die Schnittwunde zu verbinden, als sei er ein gelernter Krankenpfleger, reißt das Ende schließlich mit den Zähnen ein und macht einen festen Knoten. Dann legt er ihren Arm vorsichtig auf der Bettdecke ab.
Felice stöhnt. Ihre Augäpfel bewegen sich unter den geschlossenen Lidern.
»Gleich, Bichette! Gleich geht’s dir wieder besser!«, sagt Anton zärtlich und streicht ihr das feuchte Haar zurück. »Herrgott, wo bleibt diese Schnecke von Pfleiderer!«
Die Schnecke von Pfleiderer erscheint in diesem Moment in der Tür, beladen mit einem Krug, einem Becher, einer großen Schüssel und weiteren Handtüchern.
»Dankschön, meine Gute!«, sagt Herr von Rofrano freundlichund überlegen und nimmt ihr die Dinge nacheinander ab. »Den Rest erledigen wir selber. Sie können dann zu Bett gehen. Servus und ade.«
Die Haushälterin starrt ihn einen Moment an. Sie schnappt nach Luft, will etwas entgegnen, aber Anton hat ihr den Rücken zugedreht, macht sich an Felice zu schaffen. Die Pfleiderer wirft mir einen fragenden Blick zu, aber da ich nicht reagiere, knickst sie und entfernt sich.
»Richte sie mit mir auf«, bindet mich Anton wieder ein ins Geschehen, »die Hand unters Kopfkissen. So. Halt sie. Ich muss ihr das jetzt einflößen.«
Er füllt den Becher mit dem lauwarmen Salzwasser, führt ihn Felice an die Lippen. Als sie nicht reagiert, hält er ihr mit einer Hand die Nase zu, sodass sie den Mund öffnen muss, und zwingt sie zum Schlucken. »Trink, meine Schöne, trink! Gleich wird’s dir besser gehen.«
Ein Becher, zwei. Die Flüssigkeit läuft Felice seitlich aus dem Mundwinkel. Ihre Kehle zuckt und bebt. Mir ist erbärmlich zumute. Zur Medizinerin würde ich mich wohl kaum eignen.
»So, nun müsst es reichen.«
Er stellt den Becher fort, rückt die Schüssel in die Nähe. Wirft mir einen prüfenden Blick zu.
»Himmel, Leonie! Wie du dreinschaust! Das hier ist jetzt vielleicht besser ohne dich. Gehst nach nebenan, ja? Wartest noch, falls wir dich noch brauchen? Dankschön.«
Ich lasse den Körper meiner »Cousine« in seinen Arm gleiten, sehe noch, wie er sie vornüberbeugt und ihren Kopf hält.
Dann bin ich draußen, hinter der angelehnten Tür, sitze an ihrem Schreibtisch, wo irgendwo das Mem im Kasten liegt, und halte mir die Ohren zu. Das qualvolle Würgen und Stöhnen dringt aber trotzdem bis zu mir.
Endlich wird es still. Und ich höre ein tiefes Schluchzen.
Schließlich Antons Stimme: »Meine Schöne, meine Fee, meine Bichette! Alles wird gut. Wie konntest du mir nur so misstrauen! Was hast denn gedacht, was ich machen will mit deinem Schmuckstück?Zum Juwelier wollt’ ich’ s tragen und a Kopie machen lassen. Und die Kopie, die hätt ich der anderen gegeben, und sie hätt nix gemerkt und Ruhe wär gewesen! Wie kannst du nur einen Moment denken, ich wollt dich verraten? Dich, die vollkommenste Frau der Welt!«
Und schon machen sie ihr Spiel wie immer ...
Die Stimme da hinter der Tür ist nun zum Flüstern geworden.
Ich stehe auf und gehe langsam durch die Zimmer zurück. Über all bewege ich den Schalter und mache das Licht aus, lasse Dunkelheit hinter mir. Hin und wieder muss ich mich an den Wän den abstützen. Dann gehe ich zu Bett.
Ich wache auf und es dämmert.
Was war eben? Was für Bilder waren das in meinem Kopf, was habe ich da geträumt?
Eine schemenhafte Pfleiderer sagt irgendetwas Undeutliches, etwas, was man nicht verstehen kann, aber das muss auch gar nicht sein, denn ich weiß ja, was sie sagen will, und ich laufe, laufe, als hätte ich Blei an den Füßen, komme nicht vom Fleck, und die Räume, die ich durchlaufen muss, das sind endlose Fluchten, eine Tür nach der anderen geht auf und ich komme nicht
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