Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
Südfrankreich gekauft habe, reicht mir da völlig.
Und das alles ist möglich, weil mir ein alter Mann in den Pyrenäenein »Taschengeld« in Dollars ausgesetzt hat, und beim Anblick dieser Währung bekommen die Leute hier in Wien Stielaugen (so wie seinerzeit in Berlin am Kurfürstendamm), wenn man mir auch versichert hat, dass nach der Währungsreform hier in Österreich alles besser ist. Aber Dollars klingeln nun mal besser in der Ladenkasse. Und vielleicht auch, weil ein gewisser Anton, Edler von Rofrano, der mir während dieser Einkaufstour nicht von der Seite weicht, sich als »absoluter Kenner des guten Wiener Geschmacks« aufspielt, oder, wie er sagt: Er weiß, was »comme il faut« ist.
In meinem Quartier packe ich die glänzenden Schächtelchen und Tüten, die Päckchen und Kartons aus, breite das Zeug um mich herum – und fühle mich schlecht, statt mich daran zu freuen. Wie komme ich dazu, das Geld derart zum Fenster hinauszuschmeißen?
Vertane Zeit! Ein Vormittag voll Getöse und hektischem Hin und Her. Nun, in der Stille meines Quartiers, kommt mir das alles so völlig sinnlos vor.
Auf einmal überfällt mich Traurigkeit. Eine »bleierne« Traurigkeit, eine, die unter allem anderen noch immer ganz tief in mir wohnt. Nein, so schnell werde ich die wohl nicht los. Wenn ich nicht achtgebe, kriechen die Schatten wieder hervor, das spüre ich. Das Vorspiel bei Felice fällt mir ein. Darum kann ich auch keine »richtige«, keine mädchenhaft unbedarfte Julia spielen, sondern, wie Felice sagte, eine »Julia mit Trauerflor«.
Ich lasse mich aufs Bett fallen, mitten zwischen die dummen Sachen, und schließe die Augen. Mir kommt es vor, als habe ich mich noch nie auf diese Weise so verloren, so heimatlos gefühlt wie jetzt zwischen all den Luxusdingen.
Niemand, mit dem ich wirklich reden kann. Alle zeigen sie mir nur ihre Masken, die Hausangestellten, die anmaßende Actrice, der verspielte junge Mann ... Sie machen mir irgendwie etwas vor.
Am liebsten möchte ich weg von hier. Aber das geht ja nicht. Übrigens, die Teile der Lebensgeschichte, die mein Begleiteranlässlich des Palais Auersperg da so ungerührt vorgetragen hat, die haben auch nicht unbedingt zu meinem Wohlbefinden beigetragen. Ebenso wenig wie seine Posse mit den geklauten Äpfeln. Was ist das nur für ein komischer Vogel, dieser junge Geliebte der Lascari?
Anton von Rofrano mit seinen abgekauten Nägeln und seinen nackten Füßen (beides mir völlig unverständlich) scheint irgendwo ein armer Hund zu sein, sosehr er sich auch aufspielt. –
»Es war ein ersprießlicher Vormittag«, sagt Anton, Edler von Rofrano, großspurig. »Ich hab ihr Wien gezeigt und sie zum Geld- ausgeben gebracht – da wollte sie zuerst nicht so richtig ran, weißt du.«
»Wieso, ist sie geizig?«
»Sie ist es nicht gewohnt, liebste Fee, sie ist es nicht gewohnt. Aber ich hab ihr halt erklärt, was man braucht, wenn man in Wien angesagt sein will.«
Felice zieht skeptisch eine Braue hoch. Sie liegt in dieser Zeit zwischen Vormittagsprobe und Abendvorstellung, die der Ruhe gewidmet ist, auf dem ungemachten Bett, trägt eins von Antons Rüschenhemden auf der bloßen Haut, raucht und schnippt die Asche in eine Bernsteinschale.
»Und weiter?«
»Dann hab ich sie überredet, ein Kleid für deine Soiree zu kaufen – zuckersüß, sag ich dir. Wie für die Madeln, die als Debütantinnen zum Opernball gehen. Lässt sie aussehen wie Fünfzehn. Übrigens, bildhübsch ist sie ja.«
»Das ist mir auch schon aufgefallen«, sagt Felice spöttisch. »Und du sagst das schon zum zweiten Mal. Es sollte dir nicht zu häufig durch den Kopf gehen. Das würde mir nicht zusagen.«
Anton hascht nach ihrer freien Hand und zieht sie an seine Wange. »Keine Sorge, Fee. Wer das Glück hat, bei einer Felice Lascari einen Stein im Brett zu haben, den lassen andere Frauenzimmer kalt. Abgesehen davon dass diesem Jemand ja auch kaum Zeit bleibt für – Eskapaden ... «
Sie betrachtet ihn nachdenklich, dreht ihre Zigarette zwischen den Fingern. Wirft einen Blick in den Spiegel neben dem Bett. Macht ihre Hand frei und tastet nach dem Täschchen mit Puderdose und Lippenstift, bleibt auf halbem Wege stehen, als sie sein ironisches Grinsen sieht.
Sie wechselt das Thema.
»Du hast ja zugesehen, als sie mir ihre Julia vorgeführt hat. Was sagst du?«
»Sie ist stark«, erwidert er. »Stark und heftig.«
»Ja«, sagt Felice. »Da ist eine ungestüme Kraft und sie wirkt überhaupt nicht
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