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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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wie elektrisiert.Vorige Spielzeit war Reinhardt, der große Theatermagier, ja noch in Berlin, und da hat sie ihn verpasst. Denn da war sie damit beschäftigt, selbst auf der Bühne zu stehen, und konnte nicht, wie sonst immer, in die Aufführungen der großen Häu ser laufen. Reinhardt in Wien! Die Nummer Eins der deutschen Regisseure! Sie beschließt, Burgtheater Burg theater sein zu lassen und die nächste Gelegenheit zu nutzen, um ins Josefstädter Theater zu gehen.
    Überhaupt: Sie wird sich nach den Vorstellungen der ande ren Wiener Bühnen erkundigen und sich erst einmal einen Plan machen, was sie sich alles ansehen will. Die Aussicht beflügelt sie ...
    »Hören ’s grad net zu, gnä’ Fräulein? Ich hab extra in diese Gass’ einbiegen lassen und nun hören ’s net zu!« Der junge Mann sieht sie mit gespieltem Vorwurf von der Seite an. Offenbar erhofft er sich mehr »Oh!« und »Ah!« von ihr, als sie bisher geäußert hat.
    »Entschuldigung, was?«, sagt sie hastig.
    »Das Palais Auersperg!« Er zeigt auf einen prachtvollen Barockpalast. »Sagt Ihnen das was?«
    »Irgendwie schon!« Sie runzelt die Stirn, gibt sich Mühe – sie will ihn ja nicht kränken. »Aber ich weiß nicht ... «
    »Der Rosenkavalier! Die Oper von Strauss!«, drängt er, und da sie den Kopf schüttelt: »Das war einmal vor langer Zeit das Stadtpalais meiner Familie. Im Besitz des Marchese Rofrano.« Er lehnt sich zurück und sieht sie erwartungsvoll an.
    Ja, das hat Felice ihr in dem Kaffeehaus erzählt. Dass der Textdichter des »Rosenkavaliers« darum gebeten hat, diesen Namen zu benutzen. Dass es auch noch ein Palais gab, das wusste sie nicht.
    »Und jetzt?«
    »Und jetzt ist es das Palais Auersperg. Sag ich doch.« Er breitet die Arme aus. »Perduto! Futsch ist futsch und hin ist hin. Vor zweihundert Jahren haben’s meine verehrten Vorfahren verkauft, wahrscheinlich auch, um ihre Spielschulden zu bezahlen.«
    Du meine Güte, was für Dimensionen!, denkt Leonie. Um so viel Geld zu verspielen, dass man dafür ein ganzes Palais verkaufen muss, dazu gehört schon was.
    Die Kutsche biegt in den Burgring ein, vorbei am Theater, vorbei auch am Opernhaus.
    »Und wo steht das neue Palais der Familie Rofrano?«, fragt sie, ein bisschen spöttisch.
    »Gibt’s keins«, erwidert er mit stoischer Ruhe und rückt an der Krempe seiner Kreissäge. »Es gibt inzwischen nicht mal mehr ein Domizil.«
    Sie starrt ihn an. »Ich versteh nicht«, sagt sie irritiert. »Meinen Sie, Ihre Familie ... «
    »Familie gibt’s auch nicht«, unterbricht er sie. »Ich bin, wie man so schön sagt, der Letzte, der noch Rofrano heißt.«
    Er genießt ihre Verblüffung. Lehnt sich lässig zurück und stemmt einen Fuß gegen die Kutschentür. »In Wien ist’s wie überall auf der Welt. Wenn’s einmal abwärts geht, dann ist kein Halten mehr. Irgendwann war alles weg und meine Eltern saßen in einer kleinen Wohnung im Zehnten Bezirk, die Frau Mama gab Klavierstunden und der Herr Papa verkaufte, und zwar nicht nur, was nicht niet- und nagelfest war, also die letzten Bilder und das Mobiliar.Er handelte auch mit sozusagen immateriellen Gütern. Er verkaufte den Adelstitel, den Marchese. Fragen ’s mich net, wie das geht und was das bringt. Und als nix mehr zum Verkaufen da war ... « Er zuckt die Achseln.
    »Ja?«
    Er legt ihr die Hand auf den Arm, beugt sich vor und flüstert verschwörerisch: »Erschrecken ’s net, gnä’ Fräulein.« Er hebt die andere Hand und hält sie sich mit ausgestrecktem Zeigefinger an die Schläfe: »Peng.«
    »Er hat sich erschossen?«, fragt Leonie entsetzt.
    Rofrano nickt todernst. »So machen wir verarmten Adligen das.«
    »Und Ihre Mutter?«
    »Die lebte damals schon nicht mehr, die Gute. Die hätte sich sonst zuschanden gegrämt.«
    Leonie sieht vor sich hin. Soll sie diese »Räuberpistole« glauben? Das ist ja wie in einem schlechten Stück. Der junge Mann neben ihr hat jetzt ungerührt die Beine übereinandergeschlagen und wippt mit dem nackten Fuß im Lackschuh. Will er sie zum Besten halten? Aber gerade die Ruhe, der stoische Zynismus, mit der er diese Geschichte vorbringt, überzeugen sie davon, dass er wohl die Wahrheit sagt.
    »Das ist ja schrecklich!«, sagt sie und findet, dass es sich dumm anhört.
    Er nickt. »Ziemlich schrecklich. Aber Sie sehen ja, ich lebe und befinde mich wohl.« Er beugt sich vor in der Kutsche, deutet nach rechts, sagt munter: »Und das da ist der Steffel, schaun ’s, so nennen wir unseren

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