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Dreihundert Brücken - Roman

Dreihundert Brücken - Roman

Titel: Dreihundert Brücken - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernardo Carvalho
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seine Kumpane. Als er an einem der bewaffneten Burschen vorbeikommt, gibt er mit einer Kopfbewegung ein Zeichen. Die fünf gehen auf Ruslan zu. Die Arme über dem Kopf, schützt er sich, so gut es geht, vor den Schlägen, die auf ihn niederprasseln, während die Angreifer ihm Beleidigungen im Namen der Reinheit des Blutes und des Vaterlandes ins Gesicht schleudern. Schon beim fünften Hieb fällt er auf die Knie und hält sich den von einem Schlag deformierten Arm. Während er fällt, ertönt ein Aufschrei, und alle fünf gehen noch heftiger und ohne jede Angst auf ihn los. Die Eisenstangen treffen ihn auf dem Kopf und auf dem Rücken. Blut rinnt ihm aus dem Ohr, während sein Körper zu Boden fällt. Dimitri beobachtet reglos die Szene. Zwischen den Schlägen ertönt ein Schrei von außen, jemand ruft nach der Polizei. Vor einer Bude entsteht in den Kisten und Kästen Bewegung. Menschen, die darin schliefen, ergreifen die Flucht. Wieder und wieder ertönt der Schrei, so schrill, dass die Stimme sich fast überschlägt. Die fünf Schläger bekommen Angst und suchen das Weite. Nur Maxim steht wie gelähmt da und starrt auf den am Boden liegenden Körper und den Kopf in einer Blutlache. Er ist wie gebannt, kann sich nicht davon lösen. Krampfhaftes Zittern erfasst ihn. Jemand wirft sich auf das Opfer. Es ist ein junger Mann, mit seiner inzwischen heiseren Stimme ruft er unablässig um Hilfe. Der Geschäftsführer der Countrymusic-Kneipe kommt angelaufen. Der junge Mann hält das Opfer im Arm. Vor lauter Schreien läuft ihm der Speichel aus dem Mund. Er ist mit einem grünen Sweatshirt bekleidet. Die Kapuze hängt auf dem Rücken. In der Hauptstadt der Sichtbarkeit, der Macht und der geplanten Schönheit sieht er nur das Grauen, den Bunker, die für immer belagerte Stadt. Er hat einen kahl rasierten Kopf wie alle Rekruten. Dann hört man eine Sirene. Jemand hat die Polizei gerufen. Dimitri läuft zu seinem wie hypnotisierten, zitternden Sohn. Er muss ihn so schnell wie möglich von dort wegholen. Nachdem er Maxim schon gepackt hat, begegnet sein Blick kurz dem Blick des jungen Mannes mit kahl rasiertem Kopf, als dieser, das Opfer immer noch im Arm, auf dem Boden kniend, das Gesicht voller Blut und Speichel hebt. Die Sirene wird immer lauter. Dimitri verlässt mit seinem Sohn den Ort des Geschehens. Die Polizei erscheint auf dem Markt. Ein Polizist fordert per Funk eine Ambulanz an. Die Zentrale sagt, der Hilferuf sei von einem beim FSB registrierten Mobiltelefon erfolgt. Ein Geheimdienstler müsse dem Geschehen beigewohnt haben. Der Polizist sagt, es befinde sich kein Geheimdienstler vor Ort. Er fragt den jungen Mann im Sweatshirt, was geschehen ist und in welcher Beziehung er zu dem Opfer steht.
    »Er ist mein Freund«, sagt Andrej. »Er ist nicht von hier«, fährt er fort, nun mit dem Pass in der Hand, den er aus der Hosentasche gezogen hat, und legt ihn dem blutverschmierten Ruslan in die Hand. Er drückt die Finger des Bewusstlosen zusammen, damit sie den Pass halten. Aber die Finger sind schon leblos.
    Der junge Mann im Sweatshirt weigert sich, den leblosen Körper loszulassen, den er immer noch in den Armen hält.
    »Ihr müsst ihn von hier wegbringen, raus aus dieser Stadt, diesem Land. Er ist nicht von hier. Er ist ein Ausländer. Er hat mit alldem hier nichts zu tun. Hier ist sein Pass. Irgendeiner muss ihn retten!«
    »Und du, wer bist du?«, fragt der Polizist.
    »Ich?«

21.
Zehn Tage später,
auf dem Weg nach Pulkowo
    N ach fast einer Stunde in einem Riesenstau seit dem Ufer der Fontanka kommt das Auto nun auf dem Moskowski-Prospekt in Richtung Flughafen Pulkowo et was schneller voran. Sie fahren vorbei an langen Reihen von Wohnblöcken im stalinistischen Stil, alle gleich, massig wie Festungen aus grauem Stein.
    »Von wann sind diese Häuser?«, fragt Roman seinen Vater.
    »Die wurden nach dem Krieg gebaut. Siehst du die Torbögen zwischen den einzelnen Gebäuden?«
    »Ja, was ist damit?«
    »Siehst du, wie hoch sie sind? Findest du nicht, dass sie unverhältnismäßig hoch sind?«
    »Doch. Und warum sind sie so hoch?«
    »Und schmal.«
    Roman lacht.
    »Und was für eine Funktion haben sie? Hat der Ingenieur sich bei der Berechnung vertan?«
    »Was glaubst du?«
    »Keine Ahnung.«
    »Sie wurden nach der Belagerung der Stadt gebaut, geleitet von der Überlegung, dass es einen neuen Krieg geben könnte. Dank solcher Torbögen konnte man die Raketenwerfer in den Innenhöfen postieren, zwischen den Häusern

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