Dreiländermord
Ermittlungen zu nutzen, berichteten alle regionalen
Zeitungen lieber über den großen Dürener Opernsänger Rudolf Schock, dem zu Ehren
an einem seiner Jubiläumstage der Vorplatz des neuen Kulturhauses der Stadt seinen
Namen erhielt.
Gefferts Gespräche mit der Polizei waren erfolglos geblieben, entnahm
Böhnke den Aufzeichnungen. Der damals zuständige Ermittler namens Küpper, so hatte
jedenfalls der Journalist geglaubt, arbeitete nicht mehr in Düren, die aktuelle
Polizeiführung leitete ihn an die Pressestelle weiter, die ihrerseits auf die vorliegenden
Informationen verwies. Zu Gefferts Andeutungen auf die Schwulenszene und zu einem
möglichen Auftragsmord wollte und konnte sich die Pressestelle so viele Jahre später
nach dem Mord nicht äußern. Die Ermittlungen seien abgeschlossen, nein, bislang
erfolglos geblieben, zitierte Geffert den zweckoptimistischen Pressesprecher.
Der dritte vom Journalisten notierte Todesfall hatte sich im Norden
des Kreises Heinsberg ereignet. Die Ehefrau eines Landwirts war getötet worden,
während er auf einer Versammlung gewesen war. Auf einem Rübenacker war sie erschlagen
aufgefunden worden. Geffert ließ es bei diesen Erkenntnissen bewenden. Anscheinend
war es ihm zu mühsam gewesen, mit der zuständigen Staatsanwaltschaft in Mönchengladbach
Kontakt aufzunehmen. Böhnke erinnerte sich wieder an diesen Fall, der nur deshalb
nicht in seine Zuständigkeit gefallen war, weil der Tatort knapp hinter der Kreisgrenze
auf dem Gebiet der Stadt Mönchengladbach gelegen hatte.
Damit war die Liste von Geffert auch schon erschöpft. Er hatte auf
seinem Notizblock einen dicken Trennungsstrich gezogen, der deutlich erkennen ließ,
dass er nicht weiterkam.
Im Prinzip bestätigte die Recherche des Journalisten das, was Böhnke
aus langjähriger Erfahrung wusste: Fast alle Tötungsdelikte wurden aufgeklärt. Bei
keinem Verbrechen war die Aufklärungsquote so hoch wie bei Mord und Totschlag.
Bei einem der nicht aufgeklärten Morde, beim Todesfall Michaela F.
in Bergheim, hätte er Geffert weiterhelfen können. Diesen Namen hatte der Journalist
zwar auf einem anderen Zettel notiert, aber sich nicht weiter darum gekümmert; entweder,
weil er es aufgegeben hatte oder weil er gestorben war. Die alleinlebende, junge
Frau war spätabends auf dem Garagenhof der Siedlung, in der sie eine kleine Mietwohnung
bezogen hatte, erstochen worden. Der Mörder hatte keinerlei Spuren hinterlassen.
Das Motiv blieb unklar, die Kripo in Bergheim stand nach wie vor vor einem Rätsel,
zumal es in der Geschichte des Opfers keinerlei Anhaltspunkte für einen unlauteren
Lebenswandel gab. Niemand hatte einen Vorteil aus diesem Verbrechen. In Polizeikreisen
machte sich eine These breit, die tunlichst vor der Öffentlichkeit verschwiegen
werden sollte: Die Frau war zufällig Opfer eines Kriminellen geworden, der seiner
Bande beweisen sollte, dass er zu einem Mord fähig war, ohne erwischt zu werden.
Ein Mord quasi als Meisterstück für einen angehenden Auftragskiller. Überraschend
erscheinen, blitzschnell töten und spurlos verschwinden. Eine gewisse Parallelität
zum Mord an dem Lebensmittelhändler ein halbes Jahr später war zwar vorhanden, jedoch
die Wahrscheinlichkeit, dass die Täter identisch waren, bewegte sich zwischen sehr
gering und dennoch nicht auszuschließen, dachte sich Böhnke, während er die nächsten
Blätter des Ordners in die Hand nahm.
Er stieß beim Blättern auf einen Zettel, auf dem wie eine Überschrift
eine Telefonnummer prangte, eine lange Zahlenreihe, beginnend mit der Ländervorwahl
0032.
Warum eigentlich nicht? Spontan griff Böhnke zum Handy, wählte und
wartete gespannt auf das Zustandekommen der Verbindung. An Stelle eines Gesprächspartners
bekam er nach geraumer Zeit einen Anrufbeantworter an die Strippe. In Deutsch und
in Französisch forderte das Gerät ihn auf, seine Wünsche zu äußern, das Pfarramt
der Pfarrer St. Mariä Himmelfahrt Kelmis/Neu-Moresnet in Kelmis beziehungsweise
La Calamine werde schnellstmöglich zurückrufen.
Muss ich das verstehen, fragte sich Böhnke und gab sich selbst die
Antwort: Nein. Aber Geffert würde sicherlich seine Gründe gehabt haben, die Telefonnummer
in diesem Ordner aufzubewahren. Was es damit auf sich hatte, würde er sicherlich
in der Wohnung des Journalisten erfahren, sprach sich Böhnke Mut zu. Das hoffte
er jedenfalls, als er gähnend den Ordner zur Seite legte.
Es war für ihn allerhöchste Zeit, Feierabend zu
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