Dreizehn Stunden
Sie gar nicht mehr bei AfriSound?«
»Nein, ich habe den Vertrag letzten Februar gekündigt.«
»Aber vorher hat die Firma Ihre CDs produziert?«
»Ja. Ich hatte einen Vertrag für drei Soloalben und die Option auf ein Greatest-Hits-Album, das letztes Jahr erschienen ist.
Alles bei Adam.«
»Aber dann haben Sie gewechselt?«
»Nein, ich habe mein eigenes Label gegründet.«
»Weil AfriSound Sie betrogen hat?«
»Nein, nein, da wusste ich noch nicht, dass sie mich hintergingen.«
Dekker lehnte sich in seinem bequemen Bürosessel zurück. »Meneer Nell, könnten Sie mir das vielleicht etwas näher erklären?«
»Ich … Bitte nennen Sie mich einfach Iván.«
Dekker nickte, beeindruckt, obwohl er sich das nicht anmerken ließ. Er hatte eine gewisse Arroganz erwartet, denn Nell war
ein bekannter Sänger, weiß, erfolgreich. Aber er verhielt sich ganz natürlich und begegnete ihm als farbigem Polizisten ohne
Überheblichkeit. Er wollte einfach nur behilflich sein.
»Als Student habe ich angefangen, in Kneipen aufzutreten, einfach so, um etwas Taschengeld zu verdienen. Das war 1996. Ich
habe englische Stücke gecovert, Kristofferson, Cohen, Diamond, Dylan, so was in der Art, nur ich allein mit meiner Gitarre.
Ab 1998, nachdem ich mit dem Studium fertig war, bin ich für Auftritte bis nach Pretoria gefahren. Ich habe angefangen, in |290| Läden wie dem Café Amics, dem McGinty’s und dem Maloney’s zu spielen, anfangs oft ohne Gage, weil ich noch völlig unbekannt
war. Ich sang zwei Sets mit englischen Coverversionen und dann noch eins mit meinen eigenen, afrikaanssprachigen Liedern,
nur mal so, um die Reaktion des Publikums zu testen. Und dann ist Folgendes passiert: Immer wenn ich zum letzten Set kam,
war der Laden plötzlich gerammelt voll, und die Leute haben mitgesungen. Und das Publikum wurde immer größer, als seien all
die jungen Leute und Studenten ausgehungert nach afrikaanssprachiger Musik. Jedenfalls kam ein Gig zum anderen, und irgendwann
spielte ich an sechs Abenden die Woche und verdiente mehr Geld als mit meiner regulären Arbeit. Zwei Jahre später bin ich
Profimusiker geworden, und 2001 habe ich meine erste CD aufgenommen und bei meinen Auftritten verkauft.«
»Bei welchem Label ist sie erschienen?«
»Ich hatte damals noch kein Label.«
»Aber wie produziert man eine CD, wenn man kein Label hat?«
»Man braucht einfach nur Geld. Ich kannte einen Mann bei Hartebeespoort, der in einem Anbau ein Studio hatte. Bei ihm habe
ich die Stücke aufgenommen. Damals hat er um die sechzigtausend dafür verlangt, ich musste Schulden machen.«
»Und wofür braucht man dann überhaupt ein Label?«
»Für praktisch alles, hauptsächlich aber wegen des Kapitals. Wenn man ein ordentliches Album einspielen und vermarkten will,
solide Aufnahmen mit guten Musikern und genügend Zeit im Studio, braucht man zweihunderttausend. So viel konnte ich allein
nicht aufbringen. Meine erste CD war recht primitiv gemacht, das hört man einfach. Wenn man abends in der Kneipe spielt und
sagt, hier, Leute, ihr könnt auch meine CD kaufen, und die Gäste haben schon ein paar Drinks intus und kaufen dir ein paar
ab, vielleicht zehn Stück pro Abend, dann bekommt man sein Geld zwar wieder herein, aber man kann nicht erwarten, dass die
Stücke im Radio gespielt werden. Dafür sind die Aufnahmen einfach nicht gut genug. Bei einem Label werden die Band, der Aufnahmeleiter
und der Tontechniker bezahlt und das Booklet gedruckt. Und dann kommen noch Vertrieb und Marketing dazu. Da spielt man gleich
in einer ganz anderen Liga.«
|291| »Und wie sind Sie nun an AfriSound geraten?«
»Adam hatte erfahren, was oben in Pretoria los war und dass ich allmählich ein großes Publikum anzog. Er hat sich ein Konzert
von mir angehört und wollte mich gleich unter Vertrag nehmen. Wissen Sie – Adam Barnard, davon konnte man als Künstler nur
träumen, er war eine Legende, er war der Meister der afrikaanssprachigen Musik. Das war meine große Chance, und dafür werde
ich ihm ewig dankbar sein. Jedenfalls schlossen wir also einen Vertrag über drei Alben und eine Greatest-Hits-CD ab. Adam
sagte, ich müsse erst mal ein Album mit eigenen Liedern aufnehmen, zusammen mit den besten Musikern. Adam hat es dann selbst
produziert, wir waren ein Dreamteam. Das Label hat die Radiosender dafür bezahlt, dass sie meine CD spielten, und schließlich
gab es sogar Doppel-Platin. Das hat zwar drei Jahre
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