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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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will!«
    »Weiß ich. Und noch was: Zwar kann man auf den Bildern nicht viel erkennen, aber eines schon – unter den Verfolgern sind sowohl
     Schwarze als auch Weiße, Bennie.«
    »Ist doch Quatsch.« In diesem Land arbeiteten Kriminelle nicht rassenübergreifend.
    »Schon klar. Ich habe gedacht, vielleicht sind es Rausschmeißer, vielleicht haben sich die Mädchen irgendwo in einem Club
     danebenbenommen, aber, weißt du …«
    »Rausschmeißer schneiden doch einer ausländischen Touristin nicht die Kehle durch.«
    »Noch nicht«, erwiderte Vusi, und Griessel wusste, was er meinte. Die Clubs und die Rausschmeißerszene waren eine Brutstätte
     des organisierten Verbrechens, ein Pulverfass. »Auf jeden Fall habe ich eine Suchmeldung nach dem anderen Mädchen rausgegeben.«
    »Gute Arbeit, Vusi.«
    »Keine Ahnung, ob wir damit weiterkommen«, sagte Ndabeni und beendete das Gespräch. Griessel sah, dass Dekker ungeduldig auf
     ihn wartete.
    »Tut mir leid, Fransman. Es ging um Vusis Untersuchung.«
    |68| »Und das hier ist meine Untersuchung!«, erwiderte Dekker streitsüchtig.
    Griessel war auf eine so aggressive Reaktion nicht vorbereitet gewesen, aber er wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte.
     Das Territorialverhalten der Ermittler war stark ausgeprägt, und er war nur hier, um den Mentor zu spielen.
    »Du hast recht«, sagte er und ging zur Tür. »Ich habe ja nur gedacht, ich könnte behilflich sein.«
    Stirnrunzelnd stand Dekker da.
    Und dann, gerade, als Bennie hinausgehen wollte, sagte er: »Warte …«
    Griessel hielt inne.
    »Okay«, sagte Dekker endlich. »Rede mit ihr.«
     
    Sie hörte sie nicht mehr. Nur noch den Gesang der Vögel, das Zirpen der Grillen und das Rauschen der Stadt dort unten. Sie
     lag in der Kühle des Felshangs, aber sie schwitzte, denn die Temperatur in der Senke stieg rasch an. Sie wusste, dass sie
     nicht aufstehen durfte, weil sie garantiert irgendwo standen und nach ihr Ausschau hielten.
    Sie überlegte, einfach liegen zu bleiben, den ganzen Tag lang, bis die Dunkelheit hereinbrach und sie nicht mehr so leicht
     zu entdecken wäre. Sie würde das aushalten, auch wenn sie durstig war, auch wenn sie am Abend zuvor zum letzten Mal etwas
     gegessen hatte. Wenn sie sich ausruhte, wenn sie noch ein wenig schliefe, könnte sie am Abend mit neuer Kraft Hilfe suchen.
    Doch sie wussten, dass sie hier war, irgendwo.
    Sie würden die anderen herbeirufen und sie suchen, sie würden den Weg zurückgehen und jede Möglichkeit in Betracht ziehen.
     Aus der Nähe war sie leicht zu entdecken; die Höhle war nicht tief genug. Sie kannte die meisten der Männer, wusste, wie durchtrainiert
     sie waren, wie kraftvoll, zielstrebig, behände und selbstsicher. Und sie wusste, dass sie es sich nicht leisten konnten, die
     Suche abzubrechen.
    Sie musste weiter.
    Sie blickte den Bachlauf hinab, das steinige, schmale Bett, das sich zwischen Fynbos und Felsen bergab schlängelte. Dort |69| musste sie hinunter, kriechend, vorsichtig, lautlos. Über den Berghang konnte sie die Flucht nicht riskieren, er war zu verlassen,
     zu offen. Sie musste unter Menschen, sie musste Hilfe finden. Irgendwo musste es doch jemanden geben, der bereit war, ihr
     zuzuhören und zu helfen!
    Langsam hob sie den Kopf von ihrem Rucksack, schob ihn behutsam voraus und rutschte vorsichtig hinterher. Sie konnte ihn nicht
     hinter sich herziehen, das würde man hören. Gebückt richtete sie sich auf, zog den Rucksack behutsam über den Rücken und schnallte
     leise die Riemen fest. Dann kroch sie auf allen vieren über die runden Kiesel. Langsam, so dass sie nichts in Bewegung versetzte,
     was ein Geräusch verursachen konnte.
     
    Griessel kehrte ins Wohnzimmer zurück und flüsterte Tinkie Kellerman etwas ins Ohr. Alexandra Barnard zog bereits an der nächsten
     Zigarette. Mit den Blicken folgte sie Tinkie, die aufstand und hinausging. Griessel schloss die Tür hinter ihr und ging wortlos
     auf ein viktorianisches Möbelstück zu, ein großes Büfett mit Bleiglastüren oben und Holztüren unten. Er zog Ober- und Unterschrank
     auf, nahm ein Glas und eine Flasche Gin heraus und ging zu dem Stuhl, der Alexandra Barnard am nächsten stand.
    »Mein Name ist Bennie Griessel, und ich bin Alkoholiker. Ich habe vor hundertsechsundfünfzig Tagen das letzte Mal getrunken«,
     sagte er und brach das Siegel an der Flasche. Ihre Augen waren starr auf die klare Flüssigkeit geheftet, die er behutsam in
     das Glas goss, gut drei Fingerbreit.

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