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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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manchmal gefragt, ob ich vielleicht deshalb trinke. Damit er wenigstens noch dieses
     Eine für mich tut. Ist das nicht tragisch? Rührend, |72| was?« Wieder flossen die Tränen. Sie versuchte, dagegen anzukämpfen, sprach aber trotzdem weiter. »Manchmal versuchte ich
     ihn zu provozieren. Wenn er nach Hause kam. Ich konnte das gut. Gestern Abend habe ich … Ich habe ihn gefragt, wer momentan
     an der Reihe sei … Sie müssen wissen, wir haben … Es ist eine lange Geschichte.« Zum ersten Mal schluchzte sie hörbar, als
     treffe sie die volle Wucht ihres Schicksals. Mitleid stieg in Bennie Griessel auf, denn wieder erkannte er entfernt die Sängerin
     in ihr, die sie einmal gewesen war.
    Endlich drückte sie die Zigarette aus. »Da sagte er nur:
fok jou
, sonst nichts, und fuhr wieder weg. Ich habe ihm hinterhergeschrien: ›Ja, lass mich nur alleine!‹ Ich glaube aber nicht,
     dass er mich gehört hat. Ich war betrunken …« Wieder schniefte sie in das Taschentuch. »Das ist alles, woran ich mich erinnern
     kann. Er hat mich nicht ins Bett gebracht, er hat mich einfach liegen gelassen, und heute Morgen, da lag er da …« Sie griff
     nach dem Glas. »Das waren seine letzten Worte an mich.
Fok jou
.« Sie weinte noch heftiger.
    Dann trank sie den letzten Rest aus und sah Griessel groß an. »Glauben Sie, ich könnte es gewesen sein?«
     
    Die mollige junge Frau am Empfang des Cat & Moose Youth Hostel and Backpacker’s Inn schaute das Foto an, das der Konstabel
     ihr vorhielt, und fragte: »Wieso sieht sie so komisch aus?«
    »Weil sie tot ist.«
    »Oh, mein Gott!« Das Mädchen zählte zwei und zwei zusammen und fragte: »War sie es, die heute Morgen bei der Kirche gefunden
     wurde?«
    »Ja. Erkennen Sie sie wieder?«
    »Ja. Sie sind gestern angekommen, zwei Amerikanerinnen. Warten Sie …« Das mollige Mädchen schlug das Gästebuch auf und fuhr
     mit dem Zeigefinger eine Spalte entlang. »Da sind sie, Rachel Anderson und Erin Russel, sie kommen aus …« Sie beugte sich
     hinunter, um die klein geschriebene Adresse lesen zu können. »West Lafayette, Indiana. Oh, mein Gott! Wer hat sie umgebracht?«
    »Das wissen wir noch nicht. Ist das Rachel Anderson?«
    |73| »Ich weiß es nicht.«
    »Und die andere, wissen Sie, wo sie ist?«
    »Nein, ich arbeite nur tagsüber, ich … Kommen Sie, sehen wir nach, sie wohnen in Zimmer sechzehn.« Sie klappte das Gästebuch
     zu, ging ihm voraus den Flur hinunter und stöhnte dabei: »Oh, mein Gott!«
     
    Durch vorsichtiges Fragen entlockte er ihr Informationen über die Schusswaffe. Sie hatte ihrem Mann gehört. Adam Barnard hatte
     sie in einem kleinen Tresor aufbewahrt, in seinem Zimmer. Den Schlüssel trug er bei sich, bestimmt, weil er befürchtete, sie
     könnte in betrunkenem Zustand Unsinn damit machen. Sie sagte, sie wisse nicht, wie sie auf den Teppich gelangt sei. Sie meinte,
     vielleicht sei sie es gewesen, die ihn erschossen habe, Grund genug habe sie gehabt. Groll, Selbstmitleid und Hass. Es habe
     Zeiten gegeben, da habe sie seinen Tod gewünscht, aber noch lieber wollte sie Selbstmord begehen und ihn danach sehen: Wie
     er um halb sieben abends die Treppe hinaufkam und sie fand, leblos, und wie er sich zu ihr kniete und sie um Vergebung anflehte,
     weinend und gebrochen. Aber, bemerkte sie voller Ironie, sie habe eben beides nicht unter einen Hut gebracht. Man kann nichts
     sehen, wenn man tot ist.
    Dann saß sie einfach so da, und endlich flüsterte er: »Süßwasser«, aber sie reagierte nicht. Sie verbarg sich hinter ihren
     Haaren, eine Ewigkeit, bis sie ihm langsam das Glas hinhielt, und er wusste, dass er ihr nachschenken musste, wenn er die
     ganze Geschichte hören wollte.

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    Bennie Griessel hörte sich Alexa Barnards Geschichte an.
    »Nennen Sie mich Alexa. Niemand sagt Alexandra oder Xandra zu mir.«
    Und als er jetzt wieder vor der Haustür der Brownlowstraat 47 stand, bereit zum Gehen, war er seltsam aufgewühlt. Er spürte
     einen Druck auf dem Herzen. Ihn schwindelte leicht, und er fühlte sich irgendwie der Realität entrückt, als stünde er ein
     paar Millimeter neben allem, als sei er ein, zwei Sekunden aus dem Takt mit der Welt geraten.
    Deswegen dauerte es einen Augenblick, bis er erkannte, dass draußen das blanke Chaos herrschte: Die Straße, die bei seiner
     Ankunft so still und ruhig dagelegen hatte, wimmelte jetzt vor Medienvertretern und Schaulustigen: einer Horde Fotografen,
     einem Trupp

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