Drimaxid 02 - Welt der Mutanten
Generation. Aber daran dachte er in diesem Moment nicht. Alles was er wollte war … bauen. Ohne sein Zutun griffen seine Hände nach einer gewellten Blechplatte und zogen sie unter einem unförmigen Fels hervor. Die Ränder schnitten sich tief in seine Haut.
Für einen Augenblick hielt er inne.
Warum lebe ich? , fragte er sich, als wäre er aus einem tranceartigen Zustand erwacht.
Er starrte fassungslos auf seine blutverschmierten Hände. Sie waren rau, als hätte er sehr lange, sehr hart gearbeitet. Dabei stand die wahre Arbeit ihm erst noch bevor.
Bauen , erinnerte er sich und ging weiter.
Aber nur einen einzigen Schritt, ehe er stocksteif verharrte. Ein Beobachter hätte ihn als ›verwirrt‹ beschrieben. Doch es gab keinen Beobachter auf dem riesigen Schrottplatz, in den die Erde sich verwandelt hatte.
Warum lebe ich?
Bauen …
Warum lebe ich?
Er zuckte nach vorne … und zurück. Als würden zwei fremde Mächte um die Vorherrschaft in seinem Körper kämpfen. Er fühlte sich hin und her gerissen, wie eine begehrte Spielfigur in den Händen zweier streitender Kinder.
Warum lebe ich?
Bauen … , erinnerte ihn die Stimme des Roboters, die sich heimlich wie ein Computervirus in seinen Kopf geschlichen hatte. Adam taufte diese Stimme ›Albert‹, wie die zweite Existenz, die in ihm steckte.
Was soll ich bauen?
Zuerst antwortete die Stimme nicht. Da bemerkte Adam, dass sie das gar nicht musste. Die Antwort war in ihm. Sie hatte die ganze Zeit über dort gelegen und nur darauf gewartet, von ihm gefunden zu werden.
Bauen …
Was soll ich bauen?
Die Zelle …
*
Adam konnte sich nicht erklären, warum ausgerechnet jetzt der Drang in ihm wach geworden war, die Zelle genau hier nachzubauen. Wahrscheinlich handelte es sich um die verzweifelte Suche seiner Psyche nach etwas Vertrautem in dieser neuen und fremden Umgebung.
Es gab aber noch einen anderen Grund: Denn obgleich Adam die Zelle gehasst hatte, hatte er doch bereits bei seinem ersten Aufenthalt gespürt, dass sie ihm einen gewissen Schutz vor der feindseligen Außenwelt bot, in der Adam bisher nur Lügen, Halbwahrheiten und menschlichen Abgründen begegnet war.
Bauen , befahl ihm die verzerrte Roboterstimme in seinem Inneren.
Logischerweise fing Adam mit dem Grundriss an. Mit dem Zeigefinger zeichnete er eine Linie in den grauen Staub unter seinen Füßen. Er arbeitete hochkonzentriert. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Er biss die Zähne so fest aufeinander, dass das Zahnfleisch schmerzte. Sein Finger zitterte ein wenig, aber die Linie wurde trotzdem so gerade, als hätte er sie mit einem Lineal am Reißbrett gezeichnet.
Eine Linie mit einem Anfang und einem Ende. Wie das Leben , dachte er zufrieden.
Er hob seinen Finger und betrachtete die Linie skeptisch.
Zu kurz , stellte er kritisch fest.
Also setzte er seinen Finger noch einmal an. Dieses Mal führte er seine Hand solange über den Staub, bis die Linie exakt vier Meter lang war.
»Vier«, murmelte er leise.
Vier … , echote Albert in seinem Kopf.
Das ist keine gute Zahl , bemerkte Adam unsicher. Vier hat nichts Mystisches wie DREI oder SIEBEN oder DREIZEHN. Vier … Das ist so einfach. Zu einfach. Und trotzdem ist es richtig. Vier … Nur diese Zahl kann es sein.
Adam spreizte seinen Zeigefinger und den Daumen, um auf diese Weise einen vagen rechten Winkel zu ermitteln. Er legte seine Hand auf den Boden und zog die Linie weiter. Exakt vier Meter. Er arbeitete präzise. Er arbeitete verbissen. Er arbeitete besessen .
Vier , hallte es in seinem Kopf wider. Vier … Vier … Vier …
Die beiden Linien bildeten ein L im grobkörnigen Sand. Adam spürte eine leichte Brise in den Haaren. Staub wurde aufgewirbelt und verwischte die geheimnisvolle Hieroglyphe, die er auf den Boden gezeichnet hatte.
Ich muss mich beeilen , trieb er sich selbst an.
Adam fand eine löchrige Plane in der Nähe und breitete sie über seinem Werk aus. Der Wind bauschte sich weiter auf und wirbelte Adams schulterlanges Haar, das zu strengen Zöpfen geflochten war, durcheinander. Adam arbeitete wie ein Verrückter. Er vollendete den Grundriss, indem er die letzte Linie mit den anderen dreien ein Quadrat bilden ließ. Vier Mal vier Meter groß.
Anschließend bedeckte er sein Kunstwerk sorgsam mit der Plane, so dass der Sand den Linien nichts anhaben konnte. Der Wind zerrte so fest an der Kunststoffdecke, als wolle er sie Adam entreißen. Aber dieser blieb standhaft und konservierte den Grundriss mit
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